Prothesenlockerung - Medizinische Experten

23.06.2021
Dr. Claus  Puhlmann
Medizinischer Fachautor

Unter einer Prothesenlockerung versteht der Mediziner, dass eine Endoprothese (auch Implantat genannt), also zum Beispiel die Komponenten eines künstlichen Hüftgelenks oder Kniegelenks, nicht mehr fest im Knochen verankert sind. Als Folge einer gelockerten Prothese kann der Patient Schmerzen im Bereich des Implantats haben.

Hier erfahren Sie mehr über Prothesenlockerungen und finden medizinische Spezialisten.

ICD-Codes für diese Krankheit: T84.0

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Artikelübersicht

Grundsätzlich können sich alle in den Körper eingebrachten Implantate lockern. So lockern sich knapp zehn Prozent aller Endoprothesen innerhalb der ersten zehn Jahre nach Implantation. Je länger sich ein Implantat im Körper befindet, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich lockert. Besonders häufig betroffen sind Endoprothesen, die einer stärkeren Belastung ausgesetzt sind, wie es bei Hüftgelenkendoprothesen (Pfannenlockerung) und Kniegelenkendprothesen der Fall ist. Eine Lockerung dieser beiden Endoprothesen ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil deren Behandlung sehr aufwendig ist.

HüftprotheseStark belastete Endoprothesen wie die Hüftgelenkendoprothesen sind besonders häufig betroffen.

Formen

Je nach Ursache der Prothesenlockerung können prinzipiell zwei Formen unterschieden werden:

  • Septische Prothesenlockerung, die auf ein Infektionsgeschehen im Bereich des Implantats zurückzuführen ist - daher auch die Bezeichnung „septisch“ = unter Beteiligung von (Krankheits-)Erregern. Die bakterielle Besiedelung des Implantats gehört zu den schweren Komplikationen einer Gelenkersatzoperation.
  • Alle Endoprothesenlockerungen, bei denen keine Erreger beteiligt sind (= aseptisch), werden dementsprechend zu den aseptischen Prothesenlockerungen gezählt.

Symptome

Erste Symptome einer gelockerten Endoprothese sind häufig Schmerzen im Bereich der Endoprothese bei Belastung. Mit fortschreitender Lockerung können die Schmerzen bereits in Ruhe auftreten. Aber auch Knochenbrüche an oder in Nähe der Implantationsstelle sowie Fehlstellungen und Verrenkungen des künstlichen Gelenks können Folge einer Endoprothesenlockerung sein.

Im Falle einer akuten bakteriellen Infektion des Implantats kann es zur

  • Rötung,
  • Schwellung und
  • Erwärmung

der Haut im Bereich des Implantats mit Schmerzen und gestörter Gelenkfunktion kommen. Die Patienten entwickeln häufig aber auch Schüttelfrost und Fieber. Gelegentlich öffnet sich auch die Narbe und es tritt Eiter aus.

Ursachen und Risikofaktoren

Ursachen für eine septische Prothesenlockerung

Auch wenn die Operateure größtmögliche Sorgfalt während einer Gelenkersatzoperation walten lassen, kann es in seltenen Fällen (bei etwa ein bis zwei Prozent der Patienten) zu einem Einschleppen von Bakterien an das Implantat kommen. Normalerweise kann das Abwehrsystem des Körpers geringe Mengen von Bakterien zerstören. Befindet sich allerdings ein Fremdkörper – wie das Implantat  – im Körper, ist die Abwehrfähigkeit des Immunsystems im Bereich des Fremdkörpers geschwächt. Die Bakterien können sich dann leichter vermehren und eine Art Biofilm bilden, der den Raum zwischen Knochen und Implantat ausfüllt. Dadurch kann das Implantat nicht richtig in den Knochen einwachsen und es lockert sich.

Es konnten mehrere Faktoren identifiziert werden, die das Risiko für eine bakterielle Besiedelung und damit für eine septische Prothesenlockerung erhöhen, wie zum Beispiel:

  • Vorerkrankungen: Immundefekte, Diabetes mellitus, rheumatoide Arthritis, chronisch entzündliche Hauterkrankungen wie zum Beispiel Psoriasis (Schuppenflechte), bösartige Tumorerkrankungen, Gerinnungsstörungen
  • Medikamentöse Therapie mit Kortikoiden (Kortison) oder Gerinnungshemmern
  • Persönliche Faktoren wie hohes Lebensalter, schweres Übergewicht, Nikotin-, Alkohol- und Drogenmissbrauch
Frau mit Alkohol und Zigaretten
Alkohol und Nikotin sind Risikofaktoren für eine Prothesenlockerung.

Ursachen für eine aseptische Prothesenlockerung

Der abriebbedingte Knochenabbau ist die häufigste Ursache. Dabei kommt es durch das Gleiten der Gelenkpartner (Gleitpaarung) unter hohen mechanischen Belastungen zu einem vermehrten Abrieb von Partikeln. Das führt zum Verschleiß und als Folge dessen zu einer Lockerung. Auch wird – so eine Theorie – über die Abriebpartikel eine Entzündungsreaktion induziert. An deren Ende wird Knochen abgebaut und dadurch die Prothese gelockert.

Auch Knochenzementfrakturen, Rissbildungen und Materialausbrüche werden für Prothesenlockerungen verantwortlich gemacht.

Des Weiteren sind auch Faktoren wie

  • primäre Stabilität bei Implantation der Prothese,
  • chirurgische Erfahrung und Qualität,
  • Operationstechnik sowie
  • das Design und das verwendete Material des Implantats

von Bedeutung, ob und wann es zu einer Lockerung der Prothese kommt.

Zu den patientenbezogenen Risikofaktoren für eine aseptische Prothesenlockerung zählen zum Beispiel

  • Höheres Alter
  • Gewicht
  • Unfall, Sturz
  • Vorgeschädigter Knochen (Osteoporose, Knochennekrose)
  • Vorerkrankungen (Achsfehlstellungen, Diabetes, etc.)

Untersuchung und Diagnose

Erste Hinweise auf einer Prothesenlockerung geben unter anderem

  • Art der Beschwerden,
  • weitere Symptome,
  • Zeitpunkt der Gelenkersatzoperation,
  • Vorerkrankungen und
  • etwaige traumatische Ereignisse.

Besteht der Verdacht auf eine nicht festsitzende Prothese, wird eine Röntgenaufnahme der betroffenen Gelenkregion erstellt und wenn möglich mit den Röntgenaufnahmen zum Zeitpunkt der Implantation verglichen.

Gegebenenfalls sind weiterführende bildgebende Untersuchungen, wie

  • Sonografie (Ultraschalluntersuchung),
  • MRT (Kernspinuntersuchung),
  • CT (Computertomografie) oder
  • Szintigrafie (Untersuchung mittels radioaktiv markierter Stoffe)

erforderlich, um die Diagnose zu bestätigen oder spezifische Fragestellungen abzuklären.

Besteht der Verdacht auf eine septische Ursache, können Laboruntersuchungen des Blutes (zum Beispiel Bestimmung der Entzündungsparameter) sowie eine Untersuchung des Gelenkpunktats unter anderem mit Nachweis von Bakterien erforderlich sein.

Allgemeines zur Behandlung

Spezialisten für Prothesenlockerung sind Orthopäden und Unfallchirurgien mit umfangreicher Erfahrung in der Endoprothetik.

Hat sich eine Endoprothese gelockert, muss das Implantat zunächst entfernt werden (sogenannte Explantation). Danach wird ein neues Implantat (sogenannte Revisionsendoprothese) eingesetzt. Explantation und erneute Implantation erfolgen bei aseptischer Prothesenlockerung in der Regel im Rahmen einer Operation. Dieses Vorgehen wird auch als einzeitige Wechseloperation bezeichnet.

Deutlich aufwendiger ist die Behandlung der septischen Prothesenlockerung. In unkomplizierten Fällen, was eher die Ausnahme darstellt, kann ebenfalls eine einzeitige Wechseloperation durchgeführt werden. Dabei werden in einer Sitzung das Implantat und das infizierte Gewebe entfernt, der Bereich des Implantats ausgedehnt gereinigt und gespült und eine neue Prothese eingesetzt.

In den meisten Fällen ist allerdings eine zweizeitige Wechseloperation erforderlich. Zuerst werden die gelockerte Prothese sowie alle Materialen und infizierten Gewebe entfernt. Danach wird bei bestimmten Gelenken (Knie- und oberes Sprunggelenk) zunächst Antibiotika-haltiges Material über mehrere Wochen eingebracht. Damit wird zum einen die Infektion behandelt und zum anderen der Knochen stabilisiert. Zusätzlich erfolgt eine intravenöse und orale Antibiotikatherapie ebenfalls über mehrere Wochen. Erst wenn die Infektion erfolgreich behandelt wurde, kann das neue Implantat eingesetzt werden.

Verlauf und Prognose

Bei aseptischen Prothesenlockerungen ist die Endoprothesen-Wechseloperation zwar aufwendig, durch moderne Implantate und Materialen in der Regel aber problemlos möglich.

Verlauf und Prognose von septischen Prothesenlockerungen sind aufgrund des Infektionsgeschehens weitaus schwieriger vorherzusagen. Entscheidend ist, ob die Infektion vollständig unter Kontrolle gebracht wurde und sich die Revisionsendoprothese nicht erneut infiziert. Eventuell ist eine erneute Wechseloperation mit den oben beschriebenen Schritten zur Infektionsbehandlung notwendig. Unter bestimmten Umständen kann es aber auch sinnvoll sein, das Gelenk zu versteifen. Ist die Infektion allerdings nicht unter Kontrolle zu bringen und breitet sich die Infektion weiter aus, kann eine Amputation einer Gliedmaße erforderlich werden.

Vorbeugung

Einer Prothesenlockerung kann nur bedingt vorgebeugt werden, da die meisten Ursachen nicht vom Patienten beeinflussbar sind. Wichtig ist allerdings, dass stark übergewichtige Patienten nach der Implantation eines künstlichen Gelenks ihr Gewicht reduzieren, um so die Belastung auf das Gelenk zu verringern. Auch sollten Sie gelenkbelastende Sportarten und Tätigkeiten nur in Absprache mit Ihrem Arzt ausüben. Übermäßigen Alkohol- und Nikotinkonsum sollten Sie meiden und auf Drogen vollständig verzichten.

Quellen

  • Rolf O., Rader C. (2021) Aseptische Knieprothesenlockerung. In: Perka C., Heller KD. (eds) AE-Manual der Endoprothetik. Springer Reference Medizin. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-55485-2_40-1
  • Walter G., Gramlich Y. (2019) Periprothetische Infektionen. In: Engelhardt M., Raschke M. (eds) Orthopädie und Unfallchirurgie. Springer Reference Medizin. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-54673-0_18-1
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