Tic-Störungen - Medizinische Experten

29.12.2023
Leading Medicine Guide Redaktion
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Tics sind unwillkürliche Bewegungen oder Lautäußerungen. Die Bezeichnung geht auf das französische Wort Tic zurück, welches "nervöses Zucken" bedeutet. Tics mit abrupten Bewegungen heißen motorische Tics. Tics in Verbindung mit Lautäußerungen heißen vokale Tics. Die Kombination von vokalen und motorischen Tics ist das Tourette-Syndrom. Eine weitere Differenzierung besteht nach der Art der Ausprägung: Einfache und komplexe Tics.

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ICD-Codes für diese Krankheit: F95

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Artikelübersicht

Arten und Symptome

Motorische Tics führen zu plötzlichen Bewegungen. Diese haben keinen Sinn, sie verfolgen kein Ziel und können sehr heftig sein. 

Während bei einfachen motorischen Tics nur eine Muskelgruppe betroffen ist, können komplexe motorische Tics mehrere Muskelgruppen umfassen. Sie können den Eindruck vermitteln, dass der Betroffene einen Zweck erfüllt. 

Komplexe motorische Tics können dazu führen, dass Betroffene unerwartet mit den Füßen stampfen, hüpfen oder vom Stuhl aufspringen. Zu den Sonderformen der komplexen motorischen Tics gehören die Kopropraxie und die Echopraxie.

Die Kopropraxie beinhaltet obszöne Bewegungen. Gesten wie das Zeigen des Mittelfingers, das Herausstrecken der Zunge oder das Berühren des eigenen Genitales sind typische Symptome.

Die Echopraxie bezeichnet das unwillkürliche Nachahmen der Gesten und Bewegungen anderer Personen.

Vokale Tics hingegen sind ungewollte Lautäußerungen wie Räuspern, Schmatzen, Grunzen. Zu den Sonderformen komplexer vokaler Tics gehören die Echolalie, die Koprolalie und die Palilalie.

Die Echolalie kennzeichnet sich durch das ständige Nachsprechen von Gehörtem. Betroffene ahmen Wörter, Sätze oder Geräusche immer wieder nach. Die Echolalie tritt häufig in Verbindung mit Schizophrenie und Autismus auf.

Die Palilalie ähnelt der Echolalie. Betroffene wiederholen gesprochene Wörter immer wieder und steigern dabei die Sprechgeschwindigkeit. Die Palilalie ist eine typische Begleiterscheinung bei Menschen mit Tic-Störungen. Sie tritt auch in Verbindung mit Parkinson-Erkrankungen auf.

Merkmal der Koprolalie ist die zwanghafte Verwendung von vulgären Begriffen. Sie ist eine häufige Begleiterscheinung bei Tic-Störungen. Betroffene können ihr Verhalten nicht beeinflussen.

Tic-StörungenHäufig treten neben den Tics auch Zwangssymptome oder AD(H)S auf © Creative Cat Studio | AdobeStock

Die Ursachen

Die Gründe für primäre Tics, die ohne erkennbaren Grund auftreten, sind noch nicht geklärt. Aufgrund der Beobachtung familiärer Häufungen werden genetische Ursachen angenommen.

Sekundäre Tics sind Zeichen einer anderen Grunderkrankung. Sie treten beispielsweise in Verbindung mit folgenden Krankheiten auf:

  • Autismus
  • Parkinson
  • Schizophrenie
  • Hirnhautentzündungen
  • Huntington-Krankheit
  • Als Risikofaktoren gelten:
  • Drogenmissbrauch (Kokain, Amphetamine)
  • Genetischer Einfluss
  • Infektionen mit Streptokokken (Scharlach, Mittelohrentzündung)
  • Psychosozialer Stress während der Schwangerschaft
  • Medikamente, Alkohol, Drogen während der Schwangerschaft

Tic-Störungen treten in den meisten Fällen erstmals im Kindesalter auf. Das betroffene Kind nimmt die Erkrankung zunächst nicht bewusst wahr. 

Mediziner gehen davon aus, dass im Grundschulalter fast jedes zweite Kind einen Tic entwickelt. Die Mehrzahl der Betroffenen sind Jungs. Die Ursache für die unterschiedliche Verteilung ist bisher nicht bekannt.

Oft sind Tics auch nur eine vorübergehende Erscheinung. Die Symptome werden meistens mit zunehmendem Alter geringer.

Die Diagnose

Die Diagnose einer Tic-Störung bzw. eines Tourette-Syndroms erfolgt in mehreren Schritten.

  1. Erfassen der Symptomatik
  • Wie erscheinen die Tics?
  • Welche Körperteile sind betroffen?
  • Handelt es sich um motorische, vokale oder kombinierte Tics?
  • Wie häufig treten sie auf?
  • Wann wurden die Tics erstmals bemerkt?
  • Wie intensiv sind sie?
  • Wie ist das Gefühl des Betroffenen vor dem Eintreten und während des Tics?
  1. Abgrenzen von anderen Erkrankungen

Um eine Verbindung der Tics mit anderen Erkrankungen, z. B. einer Epilepsie, auszuschließen, erstellen Ärzte zunächst ein EEG (Elektroenzephalogramm).

Es folgt die Untersuchung der Leber-, Schilddrüsen- und Nierenwerte, da auch Funktionsstörungen verschiedener Organe Tics hervorrufen können.

  1. Erfassen der genetischen Veranlagung

Der Neurologe untersucht die familiäre Disposition, um eine genetische Veranlagung zu erkennen.

  1. Erfassen der psychosozialen Einflüsse

Große Veränderungen (Scheidung der Eltern, Tod eines Familienmitgliedes) können bei Kindern und Jugendlichen schwere Krisen und Tics auslösen. Diese Tics sind oft vorübergehend. Voraussetzung ist, dass die Therapie der Grunderkrankung gelingt.

Spezielle Fragebögen für Eltern und Angehörige erleichtern die Diagnostik und die Bewertung des Schweregrades. Befragte müssen über mehrere Wochen ihre Beobachtungen festhalten.

Die Therapie

Die Therapie von Tic-Störungen setzt sich zusammen aus:

  • Psychotherapie
  • Verhaltenstherapie
  • Medikamentengabe

Bei leichten Formen der Erkrankung kann bereits die Unterstützung von Lehrern und Eltern helfen. Empfohlen wird, dem Tic so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu schenken. So reduziert sich der Einfluss der Erkrankung auf das Leben des Betroffenen. Medikamente und Therapien sind bei leichten Ausprägungen nicht nötig.

Bei schweren Symptomen reicht der starke Willen alleine nicht aus. Der Betroffene ist stark beeinträchtigt und benötigt die Hilfe eines Psychotherapeuten.

Die kognitive Verhaltenstherapie erzielt dabei gute Erfolge. Bewährt hat sich das Gewohnheits-Umkehrtraining (Habit Reversal Training).

Das Erlernen von Entspannungsmethoden wie dem Autogenen Training oder der Progressiven Muskelrelaxation kann eine deutliche Reduzierung der Symptome bewirken.

Langandauernde Tic-Störungen können die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Bei Kindern und Jugendlichen führen schwere Tics oder Erkrankungen am Tourette-Syndrom oft zu Depressionen und Suizidgedanken. 

Wenn die psychotherapeutische Begleitung nicht ausreicht, sind Medikamente erforderlich. Kinder sollten nur die geringste Dosis erhalten, die eine Abschwächung der Symptome bewirkt.

Mögliche Medikamente sind:

  • Clonidin
  • Antipsychotika oder
  • Antidepressiva

Operationen bewirken nur in Ausnahmefällen eine Linderung.

Die Prognose

Leichte Tic-Störungen sind in den meisten Fällen vorübergehend. Der Höhepunkt der Erkrankung liegt im 12. Lebensjahr. Danach werden die Symptome meist schwächer.

15 bis 20 Prozent der Tourette-Syndrom-Erkrankten leiden an einer Koprolalie. Diese schwere Form vokaler und motorischer Tics führt zu deutlichen Einschränkungen des Patienten. In der Schule sowie im Beruf und im Privatleben. Eine dauerhafte psychologische Betreuung ist erforderlich. Eine Heilung des Tourette-Syndroms ist noch nicht möglich.

Patienten mit Tic-Störungen brauchen besondere Aufmerksamkeit. Positive Beispiele zeigen, dass eine Inklusion und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich ist. Voraussetzung dafür sind umfassende Informationen und eine gute Zusammenarbeit zwischen Eltern, Ärzten, Therapeuten und Lehrern.

Quellen

Quellen

  • https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugend-psychiatrie/erkrankungen/tic-stoerungentourette-syndrom/was-sind-tic-stoerungenist-das-tourette-syndrom/
  • https://tourette-gesellschaft.de
  • https://www.aerzteblatt.de/archiv/132918/Tourette-Syndrom-und-andere-Tic-Stoerungen-in-Kindheit-Jugend-und-Erwachsenenalter
  • https://www.msdmanuals.com/de-de/heim/gesundheitsprobleme-von-kindern/neurologische-st%C3%B6rungen-bei-kindern/tourette-syndrom-und-andere-tic-st%C3%B6rungen-bei-kindern-und-jugendlichen#v742834_de
  • https://www.kinderaerzte-im-netz.de/krankheiten/tourette-syndrom-ticstoerung/therapie/
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