Zerebrale arteriovenöse Malformation (zAVM): Informationen & Spezialisten

21.04.2022
Dr. Claus  Puhlmann
Medizinischer Fachautor

Unter dem Begriff Angiom fasst man diverse Gefäßfehlbildungen zusammen. Die zerebrale arteriovenöse Malformation (AVM) ist eine Gefäßanomalie und tritt im Gehirn auf. Unter Umständen kann dieses Gefäßknäuel aufreißen und eine lebensbedrohliche Hirnblutung verursachen. Hier finden Sie weiterführende Informationen sowie ausgewählte Spezialisten und Zentren für die Behandlung zerebraler arteriovenöser Malformationen.

ICD-Codes für diese Krankheit: Q28.28, Q28.29

Empfohlene zAVM-Spezialisten

Artikelübersicht

Allgemeines Wissen zu Angiomen

Die zerebrale arteriovenöse Malformation ist eine spezielle Form einer Blutgefäßanomalie, die bei den Angiomen angesiedelt ist.

Ein Angiom ist eine Blutgefäß-Fehlbildung, die entweder

  • tumorartig und im Lauf des Lebens erworben oder
  • entwicklungsbedingt und angeboren

ist. Eine spezielle Gefäßanomalie ist die arteriovenöse Malformation (AVM), die eigentlich nicht zu den Angiomen zählt. Die AVM ist kein Tumor!

Liegt die AVM im Gehirn, spricht man von einer zerebralen arteriovenösen Malformation (zAVM) oder intrakraniellen arteriovenöse Malformation.

Hämangiom (Form eines Angioms) bei einem Neugeborenen
Hämangiom bei einem Neugeborenen © komokvm | AdobeStock

Das zAVM als Unterform eines Angioms

Bei einer zAVM sind die Hirnarterien direkt, d. h. ohne Kapillaren (kleine Gefäße) mit den Hirnvenen verbunden. Dieses Gefäßknäuel ist von gesundem Gehirn umgeben. Ein Angiom bzw. eine zerebrale arteriovenöse Malformation kann in allen Hirnregionen vorkommen.

Die Gefäßarchitektur, also der Aufbau einer zAVM, ist häufig kompliziert. Aufgrund der fehlenden Kapillaren fließt das Blut deutlich schneller. Die Blutgefäße im Angiom sind deswegen starken Belastungen ausgesetzt.

Die Gefäßwände im zAVM sind allgemein dünner und aus diesen beiden Gründen können die Blutgefäße reißen. Als Folge davon kann es zu einer Hirnblutung kommen, die schwere Schäden am Gehirn verursacht oder direkt zum Tod führt.

Eine zerebrale arteriovenöse Malformation kommt sehr selten vor. Etwa 0,05 % der Bevölkerung haben ein Angiom im Gehirn.

Etwa 10% der Patienten mit zAVM haben zusätzlich ein Aneurysma im Gehirn. Die Aneurysmen bilden sich meistens an den Arterien, die das Angiom versorgen.

Einteilung und Formen von Angiomen

Als ein kleines Angiom wird ein AVM mit einer Größe von kleiner 3 cm bezeichnet. Ein mittleres Angiom hat einen Durchmesser von 3-6 cm, und ein großes Angiom ist über 6 cm groß.

Grundsätzlich unterteilt man Angiome in

  • tumorartige Angiome (z. B. Hämangiom, Lymphangiom) und
  • entwicklungsbedingte Angiome (Gefäßfehlbildung, z. B. Angiektasie, Varix, arteriovenöse Malformation).

Ein Hämangiom ist ein embryonaler Tumor, bei dem sich die Zellen der Innenseite des Gefäßes (Endothel) vermehren. So bildet sich ein neuer Gefäßhohlraum aus.

Ein Lymphangiom ist eine gutartige Tumorerkrankung der Lymphgefäße, bei dem sich die Zellen der Lymphgefäße vermehren.

Eine Angiektasie ist eine Erweiterung eines Blutgefäßes und eine Varix (Krampfader) eine knotig-erweiterte oberflächliche Vene.

Bei der arteriovenösen Malformation (AVM) kommt es zu dem oben beschriebenen direkten Blutfluss aus einer Arterie in eine Vene.

Symptome und Risiken der zerebralen arteriovenösen Malformation

Nicht jede zAVM im Gehirn verursacht Beschwerden. Häufig kommt es aber bei einem zerebralen Angiom zu

Je nach Lage der zerebralen AVM sind auch

möglich. Da der natürliche Widerstand durch die mikroskopisch kleinen Kapillaren fehlt, ist der Blutdruck im umliegenden Hirngewebe verringert. Dadurch kann es zu den neurologischen Ausfällen kommen.

Hirnblutung

Wie erwähnt besteht zudem ein erhöhtes Risiko für eine spontan auftretende Hirnblutung. Die Folge kann ein lebensbedrohlicher Schlaganfall sein.

Das Risiko für eine Hirnblutung bei Personen mit einem zAVM liegt bei 1-4% pro Jahr. Das Risiko ist höher, wenn schon einmal eine Hirnblutung als Folge einer zAVM aufgetreten ist.

Es gibt allerdings auch Untersuchungen, die das Blutungsrisiko eines zAVM höher ansetzen. So berichtet eine amerikanische Studie, dass es zwischen 0,9% und 34,4 % pro Jahr liegen kann, abhängig von

  • der Lokalisation der AVM im Gehirn,
  • den Venen im Angiom und
  • einer bereits erlittenen Hirnblutung.

Eine Hirnblutung hat folgende Symptome:

  • akute Kopfschmerzen und Rückenschmerzen,
  • akuten Bewusstseinsverlust sowie
  • plötzlich auftretende neurologische Ausfälle.

Bei einer Hirnblutung besteht Lebensgefahr!

Krampfanfälle

Durch ein zerebrales Angiom kann es zu Krampfanfällen kommen. Als Ursachen für diese Krampfanfälle kommen

  • eine mechanische Reizung des Hirngewebes durch das Angiom selbst,
  • narbige Veränderungen des das Angiom umgebenden Hirngewebes,
  • stattgefundene Blutungen aus dem Angiom oder
  • chronischer Sauerstoffmangel, der durch das Angiom verursacht wird,

infrage.

Neurologische Ausfallerscheinungen

Durch das fehlende Kapillarbett zwischen Arterie und Vene ist der Blutfluss deutlich erhöht. Dies hat zur Folge, dass dem umliegenden, gesunden Hirngewebe Blut fehlt, das für die normale Hirnfunktion benötigt wird. Dadurch kommt es zu einer chronischen Minderdurchblutung und Sauerstoffunterversorgung des Gehirns.

Aufgrund dieser Durchblutungsstörung des Gehirns kann es zu neurologischen Defiziten kommen, wie z. B.

  • Sehstörungen und Sprachstörungen,
  • Rechenstörungen,
  • Schreibstörungen und Lesestörungen,
  • Gefühlsstörungen,
  • Lähmungen sowie
  • Wesensänderungen.

Neurologische Funktionsstörungen, insbesondere der allgemeineren Art wie

  • Kopfschmerzen,
  • psychomotorische Verlangsamung und
  • Wesensveränderungen

können auch in der Drucküberlastung in den Venen bedingt sein.

Blutversorgung des Gehirns
Eine zerebrals arteriovenöse Malformation tritt an den Blutgefäßen im Gehirn auf © peterschreiber.media | AdobeStock

Diagnose einer zAVM

Da zerebrale Angiome in der Regel angeboren sind, werden etwa 50% der zAVM innerhalb der ersten 30 Lebensjahre entdeckt. Zerebrale AVM, bei denen noch keine Blutung aufgetreten ist, werden häufig als Zufallsbefund während einer bildgebenden Untersuchung erkannt.

Verdacht auf ein Angiom im Gehirn kommt aber auch auf, wenn die Beschwerden und Symptome auf eine Störung im Gehirn hinweisen. Dazu gehören etwa

  • Lähmungen,
  • Sprach- und Sehstörungen,
  • Empfindungsstörungen,
  • starke Kopfschmerzen oder Krampfanfälle.

Hat bereits eine Blutung stattgefunden, folgt aufgrund der Symptomatik meist im akuten Stadium eine craniale Computertomographie (CCT). Häufig werden in der CCT kleinere, atypische Hirnblutungen, gelegentlich auch Blut im Subarachnoidalraum, festgestellt.

Solche atypischen Blutungen werden dann mithilfe der Kernspintomographie (MRT) näher untersucht, um ein Angiom entweder nachzuweisen oder auszuschließen.

Für die Behandlung der zerebralen AVM ist es wichtig, die genaue Gefäßsituation im Angiom und im Gehirn zu kennen. Diese kann durch eine digitale Subtraktionsangiographie studiert werden.

Kraniale Computertomographie

Die Computertomographie (CT) des Kopfes (kraniale Computertomographie, CCT) ist eine Röntgenuntersuchung. Der Körper ist dabei einer geringen Strahlenbelastung ausgesetzt ist.

Da die Untersuchung nur wenige Minuten andauert, kann mithilfe eines CT die Schwere einer Hirnblutung schnell abgeschätzt werden. Die Blutgefäße des zAVM und damit das Angiom selbst können durch die Gabe eines Kontrastmittels dargestellt werden (CT-Angiographie).

Magnetresonanztomographie

Die Magnetresonanztomographie (MRT) dauert bis zu einer Stunde. Der Vorteil ist aber, dass der Körper bei der MRT keiner Strahlenbelastung ausgesetzt ist. Auch ist die Qualität der gewonnenen Bilddaten etwas besser.

Dadurch lassen sich hauptsächlich Begleiterscheinungen, die auf das Angiom zurückzuführen sind, genauer darstellen. Aufgrund der fehlenden Strahlenbelastung wird die MRT auch bevorzugt bei den Folgeuntersuchungen nach der Behandlung eingesetzt.

Mittels Magnetresonanz-Angiographie (MRA), d. h. durch gezielte Gabe eines Kontrastmittels, lassen sich die Blutgefäße besser darstellen.

Digitale Subtraktionsangiographie

Der sicherste Nachweis einer zAVM und die Darstellung des Blutflusses ist mit der digitalen Subtraktionsangiographie (DSA) möglich. Dieser medizinische Eingriff ist eine spezielle Form der Angiographie. 

Meistens wird sie im Vorfeld einer Behandlung oder als Kontrolluntersuchung nach einer Behandlung stationär in Spezialkliniken durchgeführt. Es handelt sich um eine Katheteruntersuchung.

Der Arzt punktiert dabei zunächst die Leistenarterie. Über die so erstellte Öffnung führt er den Katheter über die Aorta am Herzen vorbei bis in die hirnversorgenden Arterien. Ziel sind die Arterien, die das Angiom versorgen.

Unter Röntgenkontrolle spritzt er nun ein Kontrastmittel in die Gefäße gespritzt, wodurch sie deutlich sichtbar werden. Der Computer entfernt nun automatisch Knochen, Hirngewebe und andere Strukturen aus den Aufnahmen.

Mit dieser Methode lässt sich beispielsweise klären,

  • ob noch Hirngewebe von den Gefäßen versorgt wird,
  • wo sich das Angiom genau befinde und
  • wie sich der Zufluss zum und der Abfluss vom Angiom darstellt.

Behandlung der zerebrale AVM

Nicht immer muss eine zerebrale AVM sofort behandelt werden. In manchen Fällen ist es besser, das Angion zunächst zu beobachten. Die Mediziner müssen dazu das Risiko und die Folgen einer möglichen Hirnblutung abschätzen. Das Risiko, dass das zerebrale Angiom im Laufe des Lebens jemals blutet, beträgt etwa 50%.

Nach einer gründlichen ärztlichen Beratung über

  • die möglichen Behandlungsoptionen beim Angiom,
  • den damit verbundenen Risiken
  • sowie der genauen Kenntnis der anatomischen Verhältnisse des zAVM

entschließen sich heute viele Patienten zu einer Behandlung. Die Risiken sind auch vom Alter und Allgemeinzustand des Patienten abhängig.

Auch die ärztliche Seite rät aufgrund des relativ hohen Blutungsrisikos meist zu einer Behandlung.

Manche neuere Studien legen aber bei asymptomatischen zAVM das Abwarten und Beobachten nahe. Asymptomatisch bedeutet, dass diese Angiome keine Beschwerden verursachen.

Zerebrale AVM: Ziel der Behandlung

Jede Behandlung hat zum Ziel, den direkten Blutfluss von den Arterien zu den Venen im Angiom zu unterbinden. Dazu wird entweder das Angiom komplett entfernt, oder die Gefäße im Angiom bzw. die zuführenden und abführenden Gefäße werden verschlossen.

Grundsätzlich stehen beim Angiom drei Behandlungsoptionen zur Verfügung.

Bei der endovaskulären Angiom-Behandlung (Embolisation) werden die zuführenden und abführenden Gefäße z. B. mit einem speziellen Klebstoff und ggf. mit kleinen Spiralen verschlossen. Die Mediziner bringen diese über einen Katheter in das Angiom ein.

Bei der operativen Angiom-Behandlung wird das Angiom komplett entfernt und die zuführenden und abfließenden Gefäße verschlossen.

Bei der stereotaktisch-radiochirurgischen Angiom-Behandlung (stereotaktische Bestrahlung) wird das Angiom bestrahlt. Dadurch verschließen sich die Gefäße im Angiom komplett.

Da die Behandlung speziell an die Bedingungen im Angiom angepasst wird, eignet sich nicht jedes Verfahren für jedes Angiom. Die Ärzte wiegen Vorteile und Nachteile der einzelnen Verfahren zur Angiom-Behandlung und deren Erfolgsaussichten gegeneinander ab.

Bei bestimmten zAVM ist auch eine Kombination der unterschiedlichen Verfahren erforderlich, um das Angiom zu verschließen. Entscheidend ist, die Optionen bei der Angiom-Behandlung mit dem Patienten ausführlich zu besprechen.

Embolisation (endovaskuläre Angiom-Behandlung)

Bei einer Embolisation (endovaskulären Angiom-Behandlung) wird ein Katheter in einer Arterie von der Leiste bis ins Gehirn vorgeschoben.

Unter Röntgenkontrolle wird ein spezieller Klebstoff (Embolisat) und ggf. kleine Sprialen aus Platin eingebracht. Dadurch werden die Gefäße von innen verschlossen.

Die Embolisation wird entweder unter Vollnarkose oder unter lokaler Betäubung durchgeführt. Ggf. sind mehrere Sitzungen erforderlich. Nur die Embolisation kann eine zAVM meistens nicht vollständig verschließen.

Bei der Embolisation besteht das Risiko, dass das Embolisat in ein falsches Blutgefäß gelangen könnte. Dieses könnte er verstopfen, was zu einer Schädigung anderer Hirnbereiche führen würde.

Operative Angiom-Entfernung

Abhängig von der Größe und Lage des zAVM kann eine chirurgische Angiom-Entfernung in Betracht kommen. Eine Operation ist die beste Möglichkeit, ein Angiom zu entfernen. Allerdings kommt nicht jeder Patient dafür in Frage.

Ggf. werden präoperativ eine oder mehrere Embolisationen durchgeführt, um die Durchblutung des Angioms zu reduzieren. Dadurch soll eine Verkleinerung (down grading) des Angioms erreicht werden, was die Erfolgsaussichten der Operation am offenen Schädel verbessert.

Die Risiken der operativen Angiom-Behandlung ergeben sich

  • aus der Art des operativen Zugangs,
  • der Operationstechnik und
  • den eingesetzten Materialien.

Unter anderem kann es zu

  • einem Riss eines Gefäßes mit anschließender Hirnblutung,
  • einem Blutgerinnsel in gesunden Hirngefäßen und
  • Ablösen des eingebrachten Materials kommen, das wiederum gesunde Hirngefäße verstopfen kann. Dadurch kann es zu einem Schlaganfall kommen.

Stereotaktische Bestrahlung

Liegen kleinere Angiome (2 bis 3 cm im Durchmesser)

  • in den Basalganglien,
  • im Thalamus oder
  • im Hirnstamm,

ungünstig für eine Operation, kann eine Bestrahlung mittels Gamma-Knife oder Linearbeschleuniger erfolgen. Nach einer stereotaktischen Bestrahlung der zAVM verändern sich die Zellen der Blutgefäße im zerebralen Angiom. Sie vergrößern sich allmählich und verschließen sehr langsam (z. T. über Jahre) die Blutgefäße.

Solange die Gefäße im Angiom noch nicht verschlossen sind, besteht weiterhin ein Blutungsrisiko im zerebralen Angiom. Lässt sich das Angiom mit einer Bestrahlung nicht komplett ausschalten, kann nach einigen Jahren eine zweite Bestrahlung erforderlich werden.

Etwa 70% der zAVM sind nach 2 Jahren komplett verschlossen, nach 3 Jahren sind es etwa 80%. In Abhängigkeit von

  • der Bestrahlungsdosis,
  • dem Gesamtbestrahlungsvolumen und
  • der Lokalisation des Angioms im Gehirn

kommt es bei etwa 2 bis 3% zu Nebenwirkungen.

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