Psychologische Diagnostik: Informationen & Spezialisten

09.11.2022
Univ.-Prof. Dr. med. Klaus Lieb
Autor des Fachartikels
Prof. Dr. med. Paul L. Janssen
Autor des Fachartikels

Die Diagnose psychischer und psychosomatischer Erkrankungen ist Aufgabe der medizinischen Fachgebiete Psychiatrie und Psychosomatik. Das psychiatrisch-psychotherapeutische Gespräch zwischen Arzt und Patient stellt dabei die wesentliche Methode zur Diagnose psychischer und psychosomatischer Störungen dar. Zudem kann eine sogenannte psychodynamische Diagnostik erfolgen.

Zum Ausschluss körperlicher Ursachen für eine psychische Symptomatik kommen zusätzlichoft apparative Diagnoseverfahren zur Anwendung. Dazu gehören bspw. die Elektrokardiographie (EKG), das Elektroenzephalogramm (EEG) oder bildgebende Diagnosemethoden.

Hier finden Sie weiterführende Informationen sowie ausgewählte Spezialisten und Zentren für die psychologische Diagnostik.

Artikelübersicht

Psychologische Untersuchung

Die ärztliche psychologische Untersuchung ist von zentraler Bedeutung in der Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Wichtiger Bestandteil der psychologischen Untersuchung ist die Anamnese. Das ist ein ausführliches Gespräch zwischen Arzt und Patient. Die Anamnese liefert die wichtigsten Informationen dazu, welche Art von psychischer Störung vorliegt.

Zu einer vollständigen ärztlichen psychologischen Untersuchung gehören:

  • Erhebung der aktuellen Krankengeschichte und der Vorgeschichte. Wichtig sind sowohl psychische als auch körperliche Erkrankungen
  • Erhebung der Lebensgeschichte und des Vorkommens psychischer Erkrankungen in der Familie
  • Beschreibung des gegenwärtigen psychischen Zustandes des Patienten (= psychopathologischer Befund)
  • Körperliche Untersuchung und evtl. Anordnung weiterer Untersuchungen. Dazu können gehören: Testpsychologische Zusatzuntersuchungen oder apparative Zusatzuntersuchungen wie EEG, Computertomogramm zum Ausschluss körperlicher Ursachen der psychischen Symptome

Psychopathologischer Befund: Welche Symptome treten auf?

Zu den wichtigsten psychopathologischen Symptomen gehören:

  • Desorientiertheit: Der Patient findet sich z.B. bezüglich Zeit, Ort oder Situation nicht zurecht. Vorkommen z.B. bei Demenzen oder im Delir
  • Gedächtnisstörungen: Vorkommen als Kurzzeitgedächtnisstörung z.B. bei Demenzen oder auch bei Depressionen
  • Konzentrationsstörungen: Vorkommen bei vielen psychischen Störungen
  • Formale Denkstörungen: Der Gedankenablauf ist gestört. Z.B. Denkzerfahrenheit bei Schizophrenien: Der Gedankengang ist völlig durcheinander und nicht mehr verständlich
  • Inhaltliche Denkstörungen: Der Inhalt ist gestört, z.B. Wahngedanken bei Schizophrenien mit krankhaft falschen Überzeugungen über die Wirklichkeit. Z.B. die Überzeugung, vergiftet oder verfolgt zu werden, auch wenn es dafür objektiv gesehen keine Hinweise gibt
  • Wahrnehmungsstörungen (Halluzinationen): Der Patient sieht, hört, riecht oder schmeckt Dinge, die nicht da sind. Vorkommen typischerweise als Hören von Stimmen bei Schizophrenien
  • Ichstörungen: Überzeugung, dass die eigenen Gedanken entzogen werden, sich ausbreiten oder andere von außen eingegeben werden. Auch das Gefühl, von außen ferngesteuert zu werden gehört dazu (Fremdbeeinflussungserleben). Vorkommen typischerweise bei Schizophrenien
  • Affektive Symptome: Als Freudlosigkeit, Interessenverlust und erhöhte Erschöpfbarkeit bei Depressionen oder als gehobene (euphorische) oder gereizte Stimmung bei Manien
  • Ängste: Als situative Angst (Panikstörung, Phobien) oder ungerichtete Angst (generalisierte Angststörung)
  • Antriebsstörung: Hemmung oder Steigerung des Antriebs, bestimmte Dinge zu tun. Vorkommen bei Depressionen bzw. Manien
  • Suizidalität: Gedanken, nicht mehr leben zu wollen oder Pläne, sich umzubringen. Vorkommen bei allen psychischen Störungen, am häufigsten bei Depressionen, Suchterkrankungen und Schizophrenien. Suizidale Äußerungen eines Patienten müssen immer sehr ernst genommen werden! Aussagen wie „Wer vom Suizid redet, der tut es eh nicht“ o.ä. sind falsch – bei Suizidgedanken sind die Patienten immer schnellstmöglich einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder in einer psychiatrischen Fachklinik vorzustellen! Patienten, die suizidal sind, dürfen nie allein gelassen werden!

Einzelne Symptome sind niemals prinzipiell krankhaft, und sie treten auch nie nur bei einer bestimmten Krankheit auf. Nur das Gesamtbild der Symptome zusammen mit den anderen Untersuchungsergebnissen kann zu einer Diagnose führen. Eine präzise Diagnose ist die Grundlage für eine erfolgreiche Behandlung.

In der Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie kommt der Schweigepflicht eine besondere Bedeutung zu. Psychische Symptome werden von der Bevölkerung häufig stigmatisiert (abgelehnt) und sind für die Patienten mit Schamgefühlen verbunden.

Alle ärztlichen und anderen Mitarbeiter einer Klinik oder Praxis unterliegen der Schweigepflicht. Sie dürfen daher nur Informationen weitergeben, wenn der Patient dem ausdrücklich zugestimmt hat. Dies gilt auch gegenüber Angehörigen.

Objektivierung von Befunden

Psychische Störungen sind immer individuell zu betrachten, der Fokus liegt auf dem Patienten und seinem Befinden. Dennoch spielen in der Psychologie auch standardisierte Erhebungs- und Untersuchungsverfahren eine Rolle. Sie dienen zur besseren Einordnung und zum Abgleich. Sie können unter bestimmten Bedingungen die psychologische Untersuchung im Rahmen eines ärztlichen Gesprächs ergänzen. Und zwar:

  • Um den Verdacht des Vorliegens einer psychischen Störung zu objektivieren. Dazu gehören z.B. standardisierte Interviews, deren Resultate nach vorgegebenen Kriterien ausgewertet werden können. Z.B. das „Statistische Klinische Interview nach dem amerikanischen Diagnosesystem DSM-IV“, SKID.
  • Um den Schweregrad von Störungen zu ermitteln. Für fast alle Erkrankungen gibt es solche Fragebögen. Z.B. das „Beck Depressions-Inventar (BDI)“, das den Ausprägungsgrad der Depressivität ermittelt.
  • Um die Beeinträchtigungen noch genauer zu beschreiben. Dazu gehören z.B. Fragebögen, die ein weites Spektrum verschiedener Symptome erfragen, um sich ein Gesamtbild zu machen. Z.B. die „Symptom Check Liste“ mit 90 Fragen, SCL-90.

Bei allen Erhebungsverfahren unterscheidet man

  • Fremdbeurteilungsverfahren (die also der Untersucher ausfüllt) und
  • Selbstbeurteilungsverfahren (die der Patient selbst ausfüllt).

In fast allen Kliniken füllen Patienten zu Beginn und am Ende der Behandlung solche Fragebögen aus. Das ist wichtig, um den Therapieverlauf besser abbilden zu können und Maßnahmen der Verbesserung einleiten zu können.

Testpsychologische Zusatzuntersuchungen

Die testpsychologische Diagnostik dient meist der Analyse bestimmter Leistungsaspekte psychischer Funktionen wie

  • Wahrnehmung,
  • Konzentration,
  • Merkfähigkeit oder
  • Motorik.

Am häufigsten wird die testpsychologische Diagnostik in der Psychiatrie zur

  • Messung der Intelligenz (meist mit dem Hamburg-Wechsler-Intelligenz-Test für Erwachsene, HAWIE) und
  • Beurteilung von Konzentration und Aufmerksamkeit (z.B. mit dem Konzentrations-Leistungs-Test oder dem d2-Aufmerksamkeitsbelastungs-Test)

eingesetzt.

Die testpsychologischen Untersuchungen können aber auch bzgl. bestimmter weiterer psychischer Symptome ausgeweitet werden. Im Durchschnitt dauert die Zusatzuntersuchung ca. eine Stunde.

Psychologische Begutachtung im Rahmen der forensischen Psychiatrie

Die psychologische Begutachtung erfolgt im Rahmen der forensischen Psychiatrie. Sie befasst sich speziell mit Straftätern. Das Wort Forensik leitet sich aus dem Lateinisch forum = Markt, Gerichtsplatz ab.

Die forensische Psychiatrie beurteilt insbesondere die Schuldfähigkeit bei Straftaten psychisch kranker Menschen. Das ist dann wichtig, wenn ein psychisch Kranker im Zustand einer akuten psychischen Störung eine Straftat begeht. Dann kann die Schuldfähigkeit aufgehoben oder vermindert sein. Dies wird im Strafgesetzbuch (StGB) in den Paragraphen 20 und 21 geregelt.

Das Strafgesetzbuch regelt auch die Unterbringung psychisch kranker Rechtsbrecher. Sie werden in der Regel in dafür spezialisierten forensisch-psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht.

Folgende Straftatbestände dominieren in der Begutachtungspraxis:

  • Alkoholstraftaten,
  • Affektdelikte,
  • Sexualdelikte und
  • Diebstähle.

Betreuung psychisch kranker Menschen

Besteht eine psychische Störung von längerer Dauer und erheblichem Ausprägungsgrad, kann Geschäftsunfähigkeit vorliegen. Dies wird im §104 BGB geregelt.

Schwer psychisch kranken Patienten sind oft nicht mehr nicht mehr in der Lage, eigenständig zu leben. Dazu zählen bspw. Patienten mit Schizophrenien oder Alzheimer-Demenz. Für sie muss dann eine Betreuung eingerichtet werden.

Das seit dem 1.1.1992 gültige Betreuungsgesetz (§§ 1896–1908 BGB) löst die Paragraphen

  • § 6 BGB (Entmündigung),
  • § 114 BGB (beschränkte Geschäftsfähigkeit Entmündigter),
  • § 1906 (vorläufige Vormundschaft) und
  • § 1910 (Pflegschaft)

ab. Mit dem Begriff „Betreuung“ unterstreicht diese Regelung, dass der Patient nicht völlig entmündigt oder bevormundet wird. Vielmehr erhält er durch einen betreuenden Beistand die Möglichkeit, sein Leben im Rahmen seiner Fähigkeiten nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten.

Für die Einrichtung einer Betreuung muss das Gericht den Betroffenen selbst anhören. Außerdem ist ein ärztliches Gutachten erforderlich, das Angaben über

  • die Notwendigkeit der Betreuung,
  • die voraussichtliche Dauer der Betreuungsbedürftigkeit und
  • den Umfang des Aufgabenkreises

enthalten muss. Zu den typischerweise betreuten Aufgabenkreisen gehören

  • die Vermögenssorge,
  • die Gesundheitsfürsorge und
  • die Aufenthaltsbestimmung.

In besonderen Fällen können auch andere Aufgabenkreise definiert werden. Einen Antrag auf Betreuung kann der Betroffene auch selbst stellen. Häufiger aber sind die Antragsteller

  • Ehepartner,
  • Verwandte,
  • Ärzte oder
  • Staatsanwälte.

Diese übernehmen dann auch meist die Betreuung. Eine Betreuung darf nur so lange durchgeführt werden, wie sie erforderlich ist. Spätestens nach fünf Jahren, bei Unterbringungen nach einem Jahr, sind ihre Voraussetzungen zu überprüfen.

Unterbringung psychisch kranker Patienten in einem psychiatrischen Krankenhaus

Bei akut vorliegender Eigen- oder Fremdgefährdung müssen psychisch kranke Menschen betreut werden. Das bedeutet unter Umständen eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und Behandlung gegen ihren Willen. Diese Maßnahme dient ihrem Schutz und dem Schutz anderer.

Solche Maßnahmen sind in den Unterbringungsgesetzen (UBG) länderspezifisch geregelt.

Gespräch mit dem Psychotherapeuten
Das Gespräch mit dem Psychologen ist ein wichtiger Aspekt der psychologischen Diagnostik © VadimGuzhva | AdobeStock

Sozialmedizinische Begutachtung

Als Folge psychischer Erkrankungen können Patienten berufs- bzw. erwerbsunfähig werden. Die Voraussetzungen dafür sind im Sozialversicherungsrecht geregelt.

Als berufsunfähig gilt ein Versicherter, wenn „dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist.“ (§ 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VI).

Erwerbsunfähig ist ein Versicherter, „der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann.“ (§ 44 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VI).

Bei Feststellung der Erwerbsunfähigkeit besteht Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Feststellung der Berufsunfähigkeit im Rahmen einer psychologischen Begutachtung führt zum Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente. Sie entspricht 2/3 der Erwerbsunfähigkeitsrente.

Seit 2001 ersetzt bei neuen Fällen die Rente wegen Erwerbsminderung die Erwebsunfähigkeits- und Berufsunfähigkeitsrente. Volle Erwerbsminderungsrente erhält, wer weniger als 3 Stunden täglich arbeiten kann. Eine halbe Erwerbsminderungsrente erhält, wer 3 bis 6 Stunden arbeiten kann.

Die Entscheidung über eine Erwerbs-, Berufs- oder Dienstunfähigkeit ist eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung. Der psychiatrische Sachverständige nimmt nur Stellung,

  • ob ein Patient regelmäßig arbeiten kann und
  • welche Tätigkeiten er in welchem Umfang ohne Schädigung für seine Gesundheit verrichten kann.

Rehabilitative Maßnahmen finanzieren

  • die Rentenversicherungsträger,
  • das Arbeitsförderungsgesetz und
  • das Bundessozialhilfegesetz.

Ziel dabei ist es, die Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen und die Wiedereingliederung psychisch kranker Menschen zu fördern. Auch für psychisch kranke Patienten gilt: Rehabilitation geht vor Rente.

Die Erwerbsunfähigkeit stellt ein Gutachter fest. Er beurteilt nicht nur die Leistungsminderung im Erwerbsleben, sondern auch die Rehabilitationschancen.

Psychologische Begutachtung der Fahrtauglichkeit

Psychische Störungen und die Einnahme von Psychopharmaka können die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beeinträchtigen. Dies wird ebenfalls im Rahmen einer psychologischen Begutachtung festgestellt.

Vom Bundesministerium für Verkehr und Ministerium für Gesundheit gibt es Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung. Sie regeln unter anderem Folgendes:

Betroffene von „akuten Psychosen“ dürfen keine Kraftfahrzeuge (alle Klassen) führen. Dazu gehören

Nach Abklingen einer „akuten Psychose“ ist die Fahreignung unter bestimmten Voraussetzungen wieder anzunehmen. Die Voraussetzungen sind:

  • Es lassen sich keine Störungen mehr nachweisen, die das Realitätsurteil erheblich beeinträchtigen, z.B.
    • Wahn,
    • Halluzinationen,
    • schwere Denkstörungen
  • Es dürfen keine Symptome einer schweren Depression oder Manie mehr vorhanden sein. Es ist nicht damit zu rechnen, dass sie wieder auftreten (z.B. durch entsprechende Medikation).

Bei akuter oder Dauerbehandlung mit Psychopharmaka dürfen diese keine Nebenwirkungen auf das Gehirn zeigen. Langzeitbehandlungen schließen jedoch eine positive Beurteilung bezüglich der Fahreignung nicht aus. Sie können sogar Voraussetzung dafür sein.

Bei wiederkehrenden affektiven Störungen bzw. Schizophrenien mit wiederholten Krankheitsphasen: Die Krankheitsaktivität muss sich reduziert haben. Mit einem beschriebenen schweren Verlauf darf nicht mehr zu rechnen sein. Dies muss durch regelmäßige psychiatrische Kontrollen belegbar sein.

Bei Suchterkrankungen muss ein Abstinenznachweis erfolgen. Hierzu dient in der Regel

  • eine Entwöhnungsbehandlung und
  • eine einjährige Abstinenz mit geeigneten Laborkontrollen nach der Entgiftung zu den Entwöhnungszeiten.

Psychodynamische Diagnostik

Bei den psychosomatisch-psychotherapeutisch diagnostischen Methoden steht die Erklärung von Problemkonstellationen im Vordergrund. Daraus leiten sich therapeutische Behandlungsempfehlungen ab.

Die psychodynamische Diagnostik zielt hauptsächlich auf die Erfassung von

  • Strukturen der Persönlichkeit,
  • Konflikten und
  • interpersonellen Beziehungskonstellationen in Gegenwart und Vergangenheit, insbesondere der unbewussten Prozesse,

ab.

Die verhaltenstherapeutische Diagnostik beinhaltet Verhaltensbeobachtung und Verhaltensanalyse. Hier stehen

  • das beobachtbare Verhalten,
  • das subjektive Erleben (Emotionen und Kognitionen) und
  • psychophysiologische Reaktionen

im Vordergrund.

Methoden der psychodynamischen Diagnostik

Es gibt verschiedene Methoden der psychodynamischen Befunderhebung:

  • Das psychoanalytische Erstgespräch
  • Das interaktionelle Interview nach Balint
  • Das psychoanalytische Erstinterview nach Argelander
  • Die tiefenpsychologisch biographische Anamnese nach Dührssen und Rudolf
  • Das strukturelle Interview nach Kernberg
  • Das Beziehungsepisoden-Interview nach Luborsky
  • Teilstrukturierte psychodynamische Interviews nach Janssen: In neuester Zeit ist eine operationalisierte psychodynamische Diagnostik (OPD) entwickelt worden, wofür ein spezielles Interview vorgelegt wird.

Biographische Anamnese

Die biographische Anamnese (Erfragung der Patientengeschichte) zielt darauf ab, symptomatisch die

  • psychischen,
  • sozialen und
  • medizinischen

Entwicklungslinien eines Menschen zu erarbeiten. So erhält der Therapeut einen umfassenden Überblick über dessen Persönlichkeitsentwicklung.

Dadurch kann der Psychologe ein Verständnis für etwaige charakteristische Konflikte und Akzentuierungen in der Persönlichkeitsentwicklung herausarbeiten. Sie können unter Umständen in einer relevanten Beziehung zu aktuellen oder vergangenen Krankheiten des Patienten stehen.

Die biographische Anamnese nimmt gegenüber der allgemeinen klinischen Anamnese eine stärkere personenorientierte Perspektive ein.

Inhalte der biografischen Anamnese

  • Familienanamnese:
    • Eltern: Herkunft, Alter und Beruf der Eltern;
    • Geschwisterkonstellation (Anzahl, Alter, Entwicklung der Geschwister);
    • Familienklima: emotionales Klima in der Familie, Erziehungsstil, Umgang der Eltern mit dem Kind oder den Kindern, Ehe der Eltern, welche Bedeutung haben andere Verwandte (z.B. die Großeltern) in der Familie gehabt, Verhältnis der Geschwister untereinander;
    • Erkrankungen, Erkrankungsrisiken und Gesundheitsverhalten innerhalb der Familie
  • Individuelle Anamnese:
    • Schwangerschaft und Geburt (besondere Risiken, z.B. Alkoholismus, Einstellungen der Eltern zur Schwangerschaft und zur Geburt des Kindes);
    • sozialer Geburtsstatus (z.B. unehelich);
    • Frühkindliche Entwicklung (besondere Erkrankungen, Krankenhausaufenthalte, Laufen lernen, Spracherwerb und Sauberkeitserziehung);
    • Kindliche Verhaltensauffälligkeiten: z.B. Bettnässen, Schulangst, Nägelkauen, Essstörungen
  • Beziehungsanamnese:
    • Beziehung zu den Eltern;
    • getrennt über unterschiedliche Entwicklungsphasen erfragen; Beziehung zu den Geschwistern; Kindergartenzeit;
    • Schulzeit
  • Berufsausbildung oder/und Studium: Hier ist nicht nur das Leistungsvermögen und -verhalten von Interesse. Auch die Art und der Umfang der sozialen Integration in unterschiedlichen Entwicklungsphasen ist von Bedeutung
  • Psychosexuelle Entwicklung: Pubertät, erste Regel, erste sexuelle Erfahrungen, sexuelle Orientierung, Partnerschaften
  • Eigene familiäre Konstellation: z.B.
    • Ehe, Scheidung, Kinder;
    • Art der Partnerwahl, wie hat sich die Beziehung innerhalb der Ehe entwickelt,
    • Beziehung zu den eigenen Kindern, Erwartungen und Wünsche an die Kinder
  • Berufliche Situation:
    • berufliche Entwicklung (z.B. Karriere, berufliche Enttäuschungen),
    • weitere berufliche Entwicklungsmöglichkeiten, finanzielle Situation, berufliche Verantwortungsbereiche;
    • Leistungsmotivation
  • Partizipation an außerfamiliären Lebensbereichen: Vereine, Parteien, Übernahme von öffentlichen Funktionen etc., Erfolge oder Misserfolge in diesen Kontexten
  • Einstellungen, Werthaltungen und emotionale Stile
  • Krankheitsbezogene Einstellungen und Veränderungsmotivation

Psychodynamisches Interview

Ziel eines psychodynamischen Interviews ist die Initiierung einer therapeutischen Beziehung. Dazu gehört die diagnostische Einschätzung der

  • unbewussten Konflikte
  • Entwicklung der Ich-Funktion (unbewusste Abwehrformation)
  • Übertragungsbereitschaft und der
  • Reflexionsfähigkeit.

In dem einstündigen Gespräch kann der Patient

  • seine Beschwerden,
  • seine interpersonellen Beziehungskonstellationen in Gegenwart und Vergangenheit darstellen und
  • unbewusste Konflikte im Hier und Jetzt sichtbar machen.

Insofern spielen die Entwicklung der Übertragungs– und Gegenübertragungsprozesse schon im Interview eine zentrale Rolle.

Aus der Verbindung von biographischer Anamnese und analytischem Interview entwickelt sich eine Einschätzung der Psychodynamik. Sie entsteht entweder in freier Form oder nach der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD).

Die OPD-Diagnostik umfasst die Einschätzung

  • des Krankheitserlebens und der Behandlungsvoraussetzung,
  • der Beziehung,
  • der Konflikte und
  • der Struktur.

Ergänzt werden diese klinischen Untersuchungen durch testpsychologische Diagnostik. In Frage kommen auch standardisierte diagnostische Verfahren. Dazu gehören etwa strukturierte oder standardisierte Interviews oder Checklisten für bestimmte Störungsgruppen.

Apparative Diagnostik

Im Wesentlichen erfolgt die Diagnose einer psychischen Störung durch das psychiatrisch-psychotherapeutische Gespräch.

Zur weiteren Diagnostik und insbesondere zum Ausschluss körperlicher Ursachen kommen jedoch zusätzlich apparative Verfahren zur Anwendung. Zu den Verfahren der apparativen Diagnostik gehören im Einzelnen:

  • das Elektrokardiogramm (EKG)
  • das Elektroenzephalogramm (EEG)
  • die Polysomnografie (PSG)
  • die Neurochemische Labordiagnostik
  • die Diagnostik mittels bildgebender Verfahren

Elektrokardiografie (EKG)

Mit dem Elektrokardiogramm (EKG) wird die Erregungs- und Leitfähigkeit des Herzens gemessen. Es gibt u.a. Auskunft über

  • die Pulsgeschwindigkeit,
  • den Rhythmus des Herzens,
  • die Ausbreitung der elektrischen Signale im Herzen (Überleitung) und
  • die Beschaffenheit des Herzmuskels.

Ein EKG sollte in der körperlichen Ausschlussdiagnostik immer vor Behandlungsbeginn durchgeführt werden.

Eine Vielzahl von Medikamenten haben unerwünschte Nebenwirkungen am Herzen. Daher empfiehlt sich auch vor dem Beginn einer medikamentösen Therapie mit Psychopharmaka immer ein EKG.

Im Verlauf der Therapie müssen Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden. Insbesondere bei den folgenden Medikamenten ist mit EKG-Veränderungen zu rechnen:

  • Trizyklische Antidepressiva,
  • bestimmte neuere Neuroleptika sowie
  • Lithium und
  • Carbamazepin.

Elektroenzephalografie (EEG)

Das Elektroenzephalogramm (EEG) zeichnet elektrische Potentialschwankungen auf. Sie spiegeln die Aktivität von Nervenzellverbänden im Gehirn wieder. Dazu werden 32 bis 128 Elektroden an der Kopfhaut des Patienten angebracht.

Das EEG zeichnet die Gehirnaktivität zunächst in Ruhe auf. Zum Vergleich weren aber auch epileptische Potentialschwankungen provoziert. Das ist möglich durch:

  • Hyperventilation: Forcierte Mehratmung über 3 bis 5 Minuten mit ca. 25 tiefen Atemzügen pro Minute
  • Fotostimulation: Applikation hochfrequenter Flimmerreize
  • Schlafentzugs-EEG: Ableitung eines EEGs nach komplettem Schlafentzug

Seit der Entwicklung bildgebender Verfahren hat die Bedeutung des EEG gegenüber früher abgenommen. Die Ableitung eines EEG spielt in der Psychiatrie bei den folgenden Indikationen noch immer eine wichtige Rolle:

  • zur Erfassung von Epilepsien (Anfallserkrankungen), die mit typischen EEG-Veränderungen einhergehen
  • zur Diagnostik bestimmter anderer Hirnerkrankungen, die mit typischen EEG-Veränderungen einhergehen. Dazu gehören etwa die Jakob-Creutzfeldt-Erkrankung und bestimmte Gehirnentzündungen
  • zur Erfassung von EEG-Veränderungen unter einer medikamentösen Behandlung. Dadurch kann eine erhöhte Gefahr von Nebenwirkungen/Krampfanfällen erfasst werden.

Polysomnografie (PSG)

Die Polysomnografie (PSG) wird in spezialisierten Zentren zur Diagnostik von Schlafstörungen eingesetzt. Dabei werden während des Schlafes gleichzeitig

  • das EEG,
  • das Elektrookulogramm (EOG, Erfassung der Augenbewegungen) und
  • das Elektromyogramm (EMG, Erfassung der Muskelaktivität v.a. der Beine und der Kieferregion)

aufgezeichnet. Darüber hinaus können auch periodische nächtliche Beinbewegungen mit Spezialableitungen erfasst werden. Das dient zur Diagnostik des Restless-legs-Syndroms.

Weitere spezialisierte Diagnoseverfahren sind

  • die Messung nächtlicher Erektionen beim Mann und
  • die Registrierung bestimmter atmungsphysiologischer Parameter.

Die Wissenschaft unterscheidet verschiedene Schlafstadien. Sie sind durch verschiedene Veränderungen im EEG, EOG und EMG charakterisiert. Die Schlafstadien lassen sich grob unterteilen in

  • leichten Schlaf (Schlafstadien S 1-2),
  • Tiefschlaf (Schlafstadien S 3-4) sowie
  • Traumschlaf (REM).

Bzgl. der Diagnostik von Schlafstörungen können mit Hilfe der PSG erfasst werden:

  • das objektive Ausmaß der Schlafstörung (das häufig vom subjektiven Empfinden des Patienten abweicht)
  • körperliche Ursachen von Schlafstörungen wie z.B.

Neurochemische Labordiagnostik

Zusätzlich zu den genannten Diagnosemethoden kommt die Labordiagnostik hinzu. Sie beinhaltet Blut-, Harn- und ggf. Nervenwasseruntersuchungen. Die Labordiagnostik gehört zu den zentralen Bausteinen der psychiatrischen Ausschluss- und Zusatzdiagnostik.

Folgende Werte sollten bei jedem Patienten bestimmt werden:

  • Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG)
  • Blutbild incl. Differentialblutbild
  • Salze: v.a. Natrium, Kalium und Kalzium
  • Nierenfunktion: Kreatinin
  • Leberfunktion: GOT, GPT und Gamma-GT
  • Blutzucker
  • Schilddrüsenwerte (TSH)
  • Urinbefund

Je nach Verdachtsdiagnose bzw. Ergebnis der körperlichen Untersuchung schließen sich ggf. weitere Untersuchungen an.

Diese Parameter dienen auch als Ausgangswert für Verlaufskontrollen unter der medikamentösen Therapie. Verschiedene Medikamente können sich auf die Laborwerte auswirken, z.B.

  • zu einer Absenkung der weißen Blutkörperchen,
  • zu einem Anstieg der Leberwerte oder
  • zu Veränderungen der Blutsalze (v.a. Natrium).

Das ist bei der Interpretation der Ergebnisse zu beachten.

Manche Medikamente können sich schädlich auf eine Schwangerschaft auswirken. Insbesondere im ersten Schwangerschaftsdrittel ist das ungeborene Kind anfällig. Daher müssen Frauen im Zweifel vor einer medikamentösen Therapie einen Schwangerschaftstest durchführen.

Viele psychische Störungen können durch die Einnahme von Drogen hervorgerufen werden. Daher ist der Ausschluss einer drogeninduzierten Störung wichtig. Durch gängige Drogenscreeningverfahren sind im Blut oder Urin meist die folgenden Substanzen nachzuweisen:

  • Alkohol,
  • Amphetamine,
  • Barbiturate,
  • Benzodiazepine,
  • Cannabis,
  • Halluzinogene,
  • Kokain,
  • LSD und
  • Opiate.

Nervenwasserdiagnostik

Nervenwasser, auch Liquor genannt, ist eine Flüssigkeit, die im Gehirn und in der Wirbelsäule vorkommt.

Bei einer Nervenwasseruntersuchung werden im Bereich der Lendenwirbelsäule etwa 10 bis 20 ml Nervenwasser entnommen. Da in diesem Bereich keine Rückenmarksnerven zu erwarten sind, besteht im Allgemeinen kein Risiko einer Nervenverletzung.

Eine Nervenwasseruntersuchung sollte insbesondere bei Verdacht auf eine Gehirnentzündung durchgeführt werden.

Die Untersuchung geht in der Regel mit wenigen Nebenwirkungen einher. Gelegentlich können Kopfschmerzen auftreten. Dem kann man jedoch durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr und sehr dünne Entnahme-Nadeln entgegenwirken.

Bildgebende Verfahren

Bei den bildgebenden Verfahren unterscheidet man strukturelle und funktionelle Verfahren. Im Rahmen der neuroradiologischen Diagnostik werden folgende strukturelle Verfahren durchgeführt. Sie dienen hauptsächlich zum Ausschluss von Gehirnerkrankungen als Ursache für psychische Erkrankungen:

Im Rahmen der nuklearmedizinischen Diagnostik werden folgende funktionelle Verfahren durchgeführt:

  • Single Photon-Emissions-Computer-Tomografie (SPECT)
  • Positronen-Emissions-Tomografie (PET)

Sie ergeben Informationen zur Durchblutung oder Zuckerverwertung im Gehirn. Dadurch sind Aussagen zur Gehirnfunktion möglich.

Strukturelle Verfahren (CT und MRT)

Bei

  • jedem ersten Auftreten einer psychischen Erkrankung oder
  • bei Verdacht auf das Vorliegen einer organischen psychischen Störung

ist ein strukturelles bildgebendes Verfahren durchzuführen.

In der Regel wird eine Computertomografie (CT) des Schädels durchgeführt. Mittels CT lassen sich Erkrankungen wie

  • Tumoren,
  • Blutungen,
  • ältere Hirninfarkte,
  • Abszesse,
  • Fehlbildungen,
  • Gehirnabbau und
  • Knochenveränderungen

nachweisen.

Die Kernspintomografie oder Magnetresonanztomografie (MRT) bietet eine bessere Auflösung verschiedener Gewebe. Daher kann sie die Gehirnstrukturen besser darstellen als eine CT. Die MRT verdrängt daher zunehmend das CT in der Ausschlussdiagnostik psychischer Störungen.

Die MRT erfasst insbesondere

besser. Bei der MRT treten keine knochenbedingten Artefakte auf. Deswegen ist die MRT insbesondere an der Schädelbasis und der hinteren Schädelgrube dem CT überlegen.

Eine MRT arbeitet mit starken magnetischen Feldern. Das Tragen eines Herzschrittmachers stellt daher eine Kontraindikation dar. D.h. Menschen mit Herzschrittmacher sind von einer MRT ausgeschlossen. Auch andere metallische Fremdkörper wie Implantate oder Schrauben können je nach Lage eine Kontraindikation darstellen.

Die MRT geht im Gegensatz zum CT nicht mit einer Strahlenbelastung einher.

Funktionelle Verfahren (SPECT und PET)

Die funktionellen Verfahren dienen dem Nachweis physiologischer und pathophysiologischer Prozesse im Gehirn. Bei beiden werden radioaktiv markierte Substanzen gespritzt. Daher kommt es hier zu einer Strahlenbelastung (etwa so hoch wie bei einem CT).

Die Single-Photon-Emissions-Computer-Tomografie (SPECT) ist ein nuklearmedizinisches bzw. szintigrafisches Verfahren. Dem Patienten werden dabei radioaktiv markierte Substanzen in die Vene gespritzt.

Dabei kommen Stoffe wie z.B. Technetium-99m oder 123Jod zum Einsatz. Diese Gammastrahler werden dann an spezielle Trägersubstanzen gekoppelt. Deren Gewebeverteilung bzw. Bindung an Rezeptoren kann dann mittels einer Gammakamera gemessen werden. Die Untersuchungsdauer liegt bei 20 bis 60 Minuten.

Als Radiopharmaka werden beispielsweise eingesetzt:

  • Technetium-99m-HMPAO zur Durchblutungsmessung im Gehirn
  • 123Jod-IBZN zur Darstellung von Bindungsstellen des Botenstoffes Dopamin im Gehirn
  • 123Jod-Jomazenil zur Darstellung von Bindungsstellen von Benzodiazepinen

Die SPECT wird in der Routinediagnostik heute nur noch selten eingesetzt.

Bei der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) werden Gammaquanten aufgezeichnet, die durch den Zerfall von Positronenstrahlern ausgestrahlt werden. Folgende Positronenstrahler kommen zur Anwendung:

  • 15-Sauerstoff-markiertes Wasser zur Messung der Hirndurchblutung: 0-15-H2O-PET
  • 18-Fluordesoxyglukose zur Messung des Energiestoff- (Zucker-)wechsels: F-18-FDGPET
  • 18-Fluordopa zur Darstellung der Dopamin- Funktion: F-18-Fluordopa-PET

Die Positronen-Emissions-Tomografie wird klinisch am häufigsten zur erweiterten Diagnostik der Alzheimer-Demenz eingesetzt. Hier zeigt sich oft ein Minderverbrauch von Zucker im Schläfenlappen des Gehirns im F-18- DFG-PET zeigt. Auch bei Morbus Parkinson kommt es zur Anwendung. Hier wird die Bindung von F 18-Fluordopa an die Dopamin-Bindungsstellen im Gehirn gemessen.

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