Arteriovenöse Malformation (AVM): Spezialisten & Informationen

15.03.2024
Prof. Dr. med. Susanne Regus
Medizinische Fachautorin

Arteriovenöse Malformationen (AVM) sind angeborene Gefäßfehlbildungen. Sie treten insbesondere im Bereich des Zentralnervensystems sowie des Gesichtschädels auf. In der Folge kommt es zu einem „Kurzschluss“ im Blutgefäßsystem ohne dazwischenliegendes Kapillarnetz. Die Operation solcher Gefäß-Shunts ist schwierig und erfordert meist große Expertise.

Hier finden Sie weiterführende Informationen sowie ausgewählte AVM-Spezialisten und Zentren.

ICD-Codes für diese Krankheit: Q28.08, Q28.09

Empfohlene Spezialisten für arteriovenöse Malformationen

Artikelübersicht

Was versteht man unter einer cerebralen arteriovenösen Malformation?

Cerebral bedeutet „das Gehirn betreffend, und der medizinische Begriff der „arteriovenösen Malformation“ lässt sich folgendermaßen übersetzen und erklären: 

  • es entstehen angeborene, unnatürliche bzw. krankhafte (= Mal-) 
  • Verbindungen und Kurzschlüsse (= Formationen) 
  • zwischen Schlagadern (= arterio) 
  • und Venen (= venös).

Normalerweise gelangt sauerstoff- und nährstoffreiches Blut aus dem linken Herzen mit hohem Druck (ca. 120-140mmHg) in sämtliche Organe und Gewebe des Körpers. Dort erfolgt im sogenannten „Kapillarbett“ der Stoffaustausch zwischen Blut und Gewebezellen. Die Kapillaren sind kleinste Endäste der Arterien mit einer sehr dünnen Wand, über welche Stoffe diffundieren (hindurchtreten) können.

Auf der anderen Seite des Kapillarbettes sammeln kleinste Venenäste (Venolen) das nun sauerstoff- und nährstoffarme Blut wieder und transportieren es mit niedrigerem Druck (ca. 10-20mmHg) zurück zum rechten Herzen. Hier wird es über die Lunge mit Sauerstoff und die Leber mit Nährstoffen versorgt, um anschließend erneut in den oben genannten Kreislauf einzutreten. 

Beim Vorliegen arteriovenöser Malformationen gelangt das arterielle Blut über die Malformationen (= Kurzschlüsse) direkt und mit hohem Druck in die Venen, ohne im Kapillarbett den Stoffautausch durchzuführen. 

Welche Gefahren entstehen durch AV-Malformationen?

Aus den beschriebenen Kurzschlussverbindungen resultieren die zwei Hauptprobleme der AV-Malformationen:

  1. eine Druckbelastung des rechten Herzens, da das Blut über die Kurzschlüsse schnell, mit hohem Druck und großem Volumen zurücktransportiert wird. Dies kann zu einer chronischen Herzbelastung bis hin zum plötzlichen Herzversagen führen.
  2. eine Unterversorgung des Gehirngewebes mit Energie und Sauerstoff, da das arterielle Blut vorher umgeleitet wird. Hierdurch können Gewebeschäden entstehen, als Schlaganfall imponierend.

Wie häufig sind arteriovenöse Malformationen?

Circa eines von 1.000 Neugeborenen wird mit einer arteriovenösen Malformation geboren.

Prinzipiell kann jedes Organsystem von einem solchen Gefäßkurzschluss betroffen sein. Die Anomalie tritt aber gehäuft im Bereich des Gehirns oder des Gesichtsschädels auf.

Bei Kindern unter 15 Jahren sind arteriovenöse Malformationen zudem häufigste Ursache von Hirnblutungen (intrakranielle Blutungen). 

Wie entstehen arteriovenöse Malformationen?

Arteriovenöse Malformationen entstehen bereits zwischen der 4. und 8. Schwangerschaftswoche aus den ersten primitiveren Blutgefäßanlagen. Primitiv bedeutet, dass sie einfach sind, noch vor der Ausdifferenzierung in komplexere Gefäßstrukturen.

Was genau die Kurzschlüsse in den Blutgefäßen auslöst, ist noch unklar. Möglicherweise fördern genetische Prädispositionen oder auch äußere Einflüsse während der Schwangerschaft arteriovenöse Malformationen.

Blutfluss und Auswirkungen arteriovenöser Malformationen

Die eigentliche arteriovenöse Malformation wird in der Medizin auch kurz als Nidus (wörtlich übersetzt Nest) bezeichnet. Das ist der Kern der Anomalie. Mehrere, häufig erweiterte Arterien führen dem Nidus Blut zu, das danach an erweiterte Venen weitergegeben wird.

Das Blut aus den Arterien unterliegt einem höheren Blutdruck. Daher kommt es in den Venen in der Regel zu Stauungen und Aussackungen. Solche Venenerweiterungen können in venöse Aneurysmen münden oder auch zu Stenosen (Verengungen von Blutgefäßen) führen.

Arteriovenöse Malformation im Gehirn
Bei einer arteriovenösen Malformation fehlt das Kapillarnetz zwischen einer Arterie und einer Vene © rumruay | AdobeStock

Diese Gefäßveränderungen werden schließlich entlang der arteriovenösen Malformation sichtbar.

Welche Symptome treten bei einer arteriovenösen Malformation auf?

Gefäßshunts (unnatürliche Verbindungen zwischen Gefäßen) wie die arteriovenösen Malformationen können ein Leben lang symptomlos bleiben.

Bei vielen Patienten kommt es aber zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr zu ersten Symptomen, da sich die Erkrankung und die Gefäßerweiterungen weiter ausdehnen und größer werden. Zu häufigen typischen Symptomen gehören etwa:

  • Gehirnblutungen: Diese können zu Bewusstlosigkeit führen oder Zeichen eines Schlaganfalls aufweisen.
  • epileptische Anfälle
  • Kopfschmerzattacken: Diese werden anfänglich teilweise als Migräneattacken fehlinterpretiert.
  • neurologische Ausfälle, beispielsweise Taubheitsgefühle oder Lähmungserscheinungen
  • Krampfadern: Stark erweiterte und äußerlich sichtbare Venen am gesamten Körper, bevorzugt an den Beinen, können auch durch eine arteriovenöse Malformation entstanden sein. Insbesondere bei sehr stark ausgeprägten Befunden sollte hieran gedacht und cerebrale Manifestationen ausgeschlossen werden.

Wie werden arteriovenöse Malformationen diagnostiziert?

Bei den meisten Patienten finden sich pulsierende Gefäßgeräusche im Bereich des Schädels. Sie entstehen, weil das Blut mit höherer Geschwindigkeit von den Arterien in die kurzgeschlossenen Venen einfließt.

Normalerweise ermöglicht das Kapillarnetz im Organbereich den Stoff- und Gasaustausch und bremst das Blut ab. Dieses Kapillarnetz fehlt bei der arteriovenösen Malformation. Deswegen fließt das Blut mit hohem arteriellen Druck direkt in eine kurzgeschlossene Vene. Diesen Kurzschluss zwischen Schlagader und Vene nennt man in der Medizin auch Shunt. Diese höheren Flussgeschwindigkeiten des Blutes durch den Shunt lassen sich mittels transkranieller Doppler- bzw. Farbduplexsonographie darstellen.

Der Verdacht auf arteriovenöse Shunts wird anschließend mithilfe der

bestätigt. Diese beiden Diagnoseverfahren erlauben es den Spezialisten, die genaue Lage der arteriovenösen Malformation zu bestimmen.

Die Computertomographie (CT) hat in der Bildgebung der Gefäßkurzschlüsse eigentlich keine Bedeutung. Sie kommt aber in der Notfalldiagnostik, z. B. bei Bewusstseinsverlust nach Hirnblutung, zum Einsatz. 

Von entscheidender diagnostischer und therapeutischer Bedeutung ist die sogenannte invasive Angiographie mit Kontrastmittel. Hierbei wird über einen Einstich in der Leiste ein Katheter bis ins Gehirn vorgeschoben und nach Gabe von Kontrastmittel können die Kurzschlussverbindungen genau dargestellt werden. Diese Untersuchung wird als invasiv bezeichnet, da über den Einstich in die Unversehrtheit des Körpers eingegriffen wird. Sie sollte daher nur in Kombination mit einer therapeutischen Behandlung indiziert werden.

Wie wird die arteriovenöse Malformation behandelt?

Die Therapie der Gefäß-Shunts ist oft schwierig und mit ernsten Risiken behaftet. Aus diesem Grund wird jeder Fall in der Spezialklinik individuell in einem interdisziplinären Entscheidungsgremium besprochen.

Je nach Lage der arteriovenösen Malformation ist eine Operation oder Bestrahlung möglicherweise nicht gefahrlos durchführbar. In diesen Fällen wird konservativ mit Medikamenten oder Vermeidung von Stresssituationen behandelt: Es geht hierbei um die Milderung der Symptome, etwa Epilepsie durch Antiepileptika.

Für operable arteriovenöse Malformationen gibt es die minimal-invasive Therapie sowie die offene Operationsmethode:

  • minimal-invasiv (= katheterbasiert) versuchen die Spezialisten in das Shuntsystem des Nidus vorzudringen. Dort versuchen sie, die beteiligten Gefäße teilweise oder ganz mit Verödungsmittels oder kleinen Metallspiralen zu verschließen (= endovaskuläre Embolisation).
  • operativ durch die vollständige Resektion der arteriovenösen Malformation. Das heißt, der Chirurg entfernt den Nidus komplett

Ziel jeder Operation ist, das Blutungsrisiko und auch die Rezidivneigung der arteriovenösen Malformationen zu senken.

Welche Fachärzte behandeln cerebrale arteriovenöse Malformationen?

Die Therapie der arteriovenösen Malformation im Gehirn schließt verschiedene Disziplinen der Medizin mit ein, so z. B. Fachärzte aus

Die konservative Therapie kann an spezialisierten Zentren und in Fachpraxen erfolgen. Für die operativen Verfahren ist eine Behandlung an einer spezialisierten Klinik durch Spezialisten für Neurochirurgie und Neuroradiologie notwendig. 

Welche Prognose haben arteriovenöse Malformationen?

Entscheidend für die Prognose der Gefäßshunts ist insbesondere das Blutungsrisiko. Im Normalfall liegt es pro Jahr bei etwa 2–3 %. Allerdings ist die Sterblichkeit unter einer Blutung mit bis zu 10 % recht hoch. Bei jedem dritten Patienten bleiben zudem neurologische Ausfallerscheinungen bestehen. 

Wer darüber hinaus eine erste Blutung aufgrund einer arteriovenösen Malformation hatte, wird mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 25 % innerhalb der Folgejahre ein weiteres Blutungsereignis erleben.

Ohne Behandlung verstirbt jeder 4. der betroffenen Patienten in einem Zeitraum von 10 Jahren an seiner arteriovenösen Malformation.

Quellen

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