Tarsaltunnelsyndrom: Informationen & Tarsaltunnel-Spezialisten

06.04.2022
Prof. Dr. med. Götz Penkert
Medizinischer Fachautor

Beim Tarsaltunnelsyndrom handelt es sich um ein seltenes Nervenengpasssyndrom am Fuß. Es ruft Gefühlsstörungen, Schmerzen und Missempfindungen in der Fußsohle sowie motorische Beeinträchtigungen beim Beugen und Spreizen der Zehen hervor. Ein Tarsaltunnelsyndrom wird in der Regel durch Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen diagnostiziert. Die Behandlung des Tarsaltunnelsyndroms erfolgt im Rahmen einer Operation, bei der der gesamte Tarsaltunnel geöffnet wird. Hier finden Sie weiterführende Informationen sowie ausgewählte Tarsaltunnelsyndrom-Spezialisten und Zentren.

ICD-Codes für diese Krankheit: G57.5

Empfohlene Tarsaltunnelsyndrom-Spezialisten

Artikelübersicht

Karpaltunnesyndrom (Hand) und Tarsaltunnelsyndrom (Fuß)

Die Nerven der Extremitäten verlaufen an bestimmten Lokalisationen durch Engpässe oder sogar kanalartige Tunnel.

Das Karpaltunnelsyndrom ist recht bekannt. Es verursacht besonders nachts starke Schmerzen in Unterarm, Handgelenk und den daumenseitigen dreieinhalb Fingern.

Das Tarsaltunnelsyndrom am Fuß ist viel seltener. Auch Ärzte erkennen diese Erkrankung oftmals nicht. Daher haben Betroffene häufig einen längeren Leidensweg hinter sich.

Was versteht man unter dem Tarsaltunnel?

Der Tarsaltunnel ist ein „Kanalsystem“ hinter dem Innenknöchel. Es wird von derben Bandystemen nach außen begrenzt. Diese Bänder ziehen vom Innenknöchel zur Ferse herunter.

Durch den Tarsaltunnel verlaufen auch wichtige Sehnen. Weiterhin liegt eine der zwei Fußarterien, Arteria tibialis posterior, für die arterielle Blutversorgung der Fußsohlenregion im Tarsaltunnel. Auch die entsprechende Vene für den Rückfluss des Blutes verläuft durch den Tarsaltunnel.

Tarsaltunnelsyndrom: Engpass der Nerven am Fuß

Wir betrachten zunächst die anatomischen Voraussetzungen des Fußes. Von der Unterschenkelrückseite zieht der Nervus tibialis (Schienbeinnerv) in Richtung hinter dem Innenknöchel. Dort teilt er sich in zwei Endäste, den Ramus plantaris medialis und Ramus plantaris lateralis. Der Begriff „plantaris“ steht für die Fußsohle.

Der Nerv leitet elektrische Impulse

  • einerseits in die Peripherie zur Muskulatur und zu den Nervenfasern, und
  • andererseits nach Reizung der Fußsohlenhaut in Richtung des Zentralnervensystems.

Der Nervus tibialis enthält zunächst alle für Haut und Muskeln verantwortliche Nervenfasern der Fußsohle. Dadurch sind diese Funktionen anfällig bei Verletzungen und Erkrankungen des Schienbeinnerven.

Tarsaltunnelsyndrom
Anatomie der Strukturen um den Tarsaltunnel herum © Aksana | AdobeStock

Ursachen für das Tarsaltunnelsyndrom

Beeinträchtigungen des Nervus tibialis können mehrere Ursachen haben, beispielsweise

  • Vernarbungen infolge von Blutergüssen nach Verletzungen oder Prellungen in der Region des Fußgelenkes,
  • chronische Sehnenscheidenentzündungen mit Sehnenscheidenschwellungen der gleichzeitig durch den Tarsaltunnel ziehenden Sehnensysteme sowie
  • ungewöhnliche Belastungen im Rahmen langer Wanderungen besonders bei vermehrtem Körpergewicht.

Oft scheitern aber auch Erklärungsversuche für die Ursache des Tarsaltunnelsyndroms.

Symptome beim Tarsaltunnelsyndrom

Hauptsymptom des Tarsaltunnelsyndroms sind Schmerzen in der Fußsohle. Auch die sohlenseitige Haut der Zehen ist betroffen. Diese Schmerzen sind nicht unbedingt abhängig von gerade erfolgten Belastungen.

Gleichzeitig fühlt sich die Fußsohlenhaut "pelzig" an und Betroffene haben Schwierigkeiten, ihre Zehen zu beugen und zu strecken. Das Tarsaltunnelsyndrom verursacht also gleichzeitig Gefühlsstörungen und motorische Beeinträchtigungen.

Für den Arzt weist das auf den Schienbeinnerven hin, der aus sensiblen und motorischen Nervenfasern zusammengesetzt ist.

Motorische Beeinträchtigungen am Fuß machen sich aber nicht so deutlich bemerkbar wie etwa an der Hand. Betroffene bemerken daher viel früher Schmerzen in der Fußsohle, elektrisierende Missempfindungen und ein Pelzigkeitsgefühl in der Fußsohle.

Untersuchung und Diagnose des Tarsaltunnelsyndroms

Die Weiterleitung von elektrischen Impulsen über den Schienbeinnerv dient unter anderem der Signalisierung von Schmerz nach einer Fußsohlenverletzung.

Diese Nervenfasern können von außen elektrisch gereizt werden. Der neurologische Facharzt nutzt dies zur Diagnosestellung des Tarsaltunnelsyndroms.

Elektrische Reizung zur Diagnose des Tarsaltunnelsyndroms

Der Arzt setzt an einer bestimmten Stelle des Unterschenkels einen elektrischen Reiz, den der Patient durchaus als unangenehm empfindet. Nach einigen Sekundenbruchteilen ruft er in der Muskulatur des Fußes eine Reaktion hervor. Das angeschlossene Computersystem errechnet die Geschwindigkeit, mit der der Reiz durch den Tarsaltunnel zieht.

Ratsam ist die gleiche Untersuchung am anderen Bein, um einen Seitenvergleich herzustellen. Verlangsamungen der Nervenleitung signalisieren eine funktionelle Beeinträchtigung, für die es auch mikroanatomische erklärende Veränderungen an den Nervenfasern gibt.

Die Durchführung solcher Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen ist das wichtigste Untersuchungsmittel für die Beweiserbringung eines Tarsaltunnelsyndroms.

Bildgebende Verfahren zur Diagnose des Tarsaltunnelsyndroms

Bildgebende Verfahren, wie etwa die Kernspintomographie (MRT), können ein reines Engpasssyndrom wie das Tarsaltunnelsyndrom nicht nachweisen.

Ziele der Tarsaltunnelsyndrom-Operation

Die Tarsaltunnelsyndrom-Operation muss zwei Ziele erreichen:

  • die Durchtrennung der Bänder, die den Tarsaltunnel zwischen Innenknöchel und Ferse nach außen abgrenzen,
  • die Öffnung der Durchtrittsstelle von Ramus plantaris medialis und lateralis durch die Fußsohlensehnenplatte zum Inneren der Fußsohle hin.

Das letztere Ziel ist besonders wichtig, wenn Fußbelastungen als Ursache für das Tarsaltunnelsyndrom infrage kommen. Wiederholter lokaler Druck in der Fußsohle, beispielsweise bei häufigem Wandern, kann das Engpasssyndrom auslösen.

Vorgehen bei der Tarsaltunnelsyndrom-Operation

Bei der Tarsaltunnelsyndrom-Operation ist aus anatomischen Gründen ein längerer Schnitt erforderlich.

Der Operateur identifiziert zunächst oberhalb des Tarsaltunnels den Nervus tibialis und die Arteria tibialis posterior. Dann durchtrennt er von dort aus die den Tarsaltunnel bedeckende derbe Bandstruktur (Retinaculum flexorum) in Richtung Peripherie bzw. Fußsohle.

Diese Freilegung zuerst kurz oberhalb des Tarsaltunnels schützt auch davor, in den begleitenden Sehnenkanal zu geraten. Das würde die Gefahr bergen, dass die Sehnen um den Innenknöchel rutschen und ihre Wirkung verlieren.

Der Arzt darf dabei das lebenswichtige arterielle begleitende Gefäß und seitlich wegziehende Gefäßästchen nicht verletzen. Auch die den Nerv begleitenden ein oder zwei Venen mit Querverbindungen sind während der Tarsaltunnelsyndrom-Operation zu erhalten.

Eine solche Tarsaltunnelsyndrom-Operation ist zeitaufwändig und muss daher unter Vollnarkose für den Patienten ablaufen. 

Aktuell ist nur die offene Operation möglich. Ob sich endoskopische, dann minimal-invasive Operationsmethoden durchsetzen, bleibt der Zukunft vorbehalten. Auch diese müssten

  • die Durchgängigkeit der arteriellen und venösen Begleitgefäße im Tarsaltunnel garantieren und
  • die Öffnung der Nervendurchtrittsstellen durch die Fußsohlensehnenplatte sichern.

Der offene Eingriff bedarf keines Mikroskops. Öffnungen des Nerveninneren unter dem Mikroskop mit feinen Mikroinstrumenten (mikrochirurgische Neurolysen) können schmerzverschlimmernd wirken.

Medikamentöse Behandlung des Tarsaltunnelsyndroms

Gelegentlich behandeln Mediziner das Tarsaltunnelsyndrom mittels Infiltrationen mit kristalloiden Cortisonsuspensionen. Am Karpaltunnel stellt das - laut fachübergreifender neuer Leitlinien der einzelnen Fachgesellschaften - einen erlaubten Behandlungsversuch dar.

Beim Tarsaltunnelsyndrom muss man bei solchen Maßnahmen an die wichtigen den Nerv begleitenden Gefäße denken. Es darf nicht zu einer Blutung mit einer nachfolgenden hämatominduzierten Vernarbung am Schienbeinnerven kommen. Solche Injektionen sind deshalb als problematisch anzusehen.

Schmerzmittelmedikationen sind beim Tarsaltunnelsyndrom weitgehend unwirksam. Dies gilt auch für eine neue Generation von Antiepileptika (Gabapentin).

Nachbehandlung nach der Tarsaltunnelsyndrom-Operation

Eine gezielte Nachbehandlung ist nicht zwingend notwendig. Der Patient muss aber seine Fußsohle schonen. Dazu gehört auch, für einige Tage möglichst selten mit dem betroffenen Fuß aufzutreten und ihn über den Vorfuß abzurollen. Dafür erhält der Patient eine Gehhilfe.

Diese Schonung ist aber nicht lange möglich, weil der Einsatz der Muskelpresse im Unterschenkel die wichtigste Vorbeugung gegen eine Venenthrombose darstellt. Bis zur Normalbelastung sollte der Patient deshalb subkutan Heparin erhalten.

Eine spezifische postoperative Krankengymnastik gibt es nicht nach einer Tarsaltunnelsyndrom-Operation.

Mögliche Komplikationen und Risiken der Tarsaltunnelsyndrom-Operation

Komplikationen treten vor allem dann auf, wenn die zu schützenden Strukturen innerhalb des Tarsaltunnels verletzt werden. Verletzungen einer dieser Systemanteile führen zwangsläufig zu Beeinträchtigungen oder gar Fehlverläufen.

Der Wundverschluss sollte durch eine mindestens 24-stündige Drainage gesichert sein, um für den Fall einer ungewollten Nachblutung kein neu beeinträchtigendes Hämatom zu riskieren.

Das Hauptproblem nach der Tarsaltunnelsyndrom-Operation entsteht dadurch, dass der Patient mit jedem Schritt den Operationsbereich belastet:

  • Beim Auftreten quetscht er die in die Fußsohle hereinstrahlenden zwei Nervenäste
  • Beim Abrollen über den Vorfuß spannt er jedes Mal die gesamte Operationsregion in Längsrichtung.

Die sehr weichen empfindlichen Nervenfasern werden durch die Gewichtsbelastung mit jedem Auftreten immer wieder beeinträchtigt. Daraus ergibt sich, dass die Chancen einer Nervenerholung trotz sorgfältigster Tarsaltunnelsyndrom-Operation schlechter sind als bei einer Operation an der Hand.

Zu den erwähnenswerten Risiken gehört aber auch die Schwierigkeit in der Diagnosestellung. Es gibt zahlreiche Probleme in der Fußsohle, die Schmerzen erzeugen können und mit einem Tarsaltunnelsyndrom überhaupt nichts zu tun haben. Nur Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen durch einen Neurologen können den entscheidenden Hinweis geben können.

Ein Patient wird auch unzufrieden sein, wenn trotz exakter Diagnose und sorgfältiger Operation ein Schmerz erzeugender Fersensporn zurückbleibt. Es gehört also zu den Risiken, dass auch andere Schmerz erzeugende Veränderungen in Kombination vorhanden sein können.

Fazit zur Tarsaltunnelsyndrom-Operation

Das Tarsaltunnelsyndrom ist ein seltenes Erscheinungsbild, das nicht jeder Arzt kennt. Neurologische Beeinträchtigungen betreffen Haut und Muskulatur in der ganzen Fußsohle. Die Diagnosestellung basiert auf Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen seitens des neurologischen Facharztes. Die Behandlung ist operativ. Das zu öffnende Tunnelsystem ist langstreckiger als vergleichbare Systeme an der Hand.

Die Operationslokalisation ist durch zwangsläufige anschließende Belastungen des stehenden oder gehenden Patienten problematisch. Deshalb sind die Chancen einer Besserung immer beeinträchtigt durch die nachfolgenden Quetschbelastungen der Nerven bei jedem Schritt.

Trotz dieser einschränkenden Äußerungen kann nur die sorgfältige Öffnung des gesamten Tarsaltunnels helfen - wirksame Alternativen gibt es nicht.

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