Neurovaskuläre Erkrankungen - Spezialisten und Informationen

26.01.2024
Prof. Dr. med. Susanne Regus
Medizinische Fachautorin

Unter neurovaskulären Erkrankungen fassen Mediziner verschiedene Krankheiten des Blutgefäßsystems im Rückenmark und Hirn zusammen. Diese unterscheiden sich teilweise stark voneinander, was ihre Ausprägung, Behandlung oder die jeweiligen Symptome angeht.

Erfahren Sie hier alles Wissenswertes zu dieser Krankheitsgruppe und finden Sie ausgewählte Spezialisten für die Behandlung von neurovaskulären Erkrankungen.

ICD-Codes für diese Krankheit: I60 - I69

Empfohlene Spezialisten für Neurovaskuläre Erkrankungen

Artikelübersicht

Was sind neurovaskuläre Erkrankungen?

Neurovaskuläre Erkrankungen sind sehr komplexe Erkrankungen des Blutgefäßsystems von Gehirn und Rückenmark. Bei diesem medizinischen Fachausdruck steht neuro für Gehirn und Rückenmark, vaskulär für das Blutgefäßsystem.

Es gibt sowohl akute, als auch chronische Formen. Da das Gehirn sehr empfindlich für sämtliche Schädigungsmechanismen ist, handelt es sich oft um Erkrankungen mit einer gewissen Zeitnot, welche zügiges Handeln erfordern.

Allgemein gehören zur Gruppe der neurovaskulären Erkrankungen:

  • Aussackungen der Gefäße (Aneurysmen)
  • Blutschwämmchen (Kavernome)
  • Kurzschlussverbindungen zwischen Schlagadern und Venen (arterio-venöse Fisteln)
  • Gefäßengstellen (Stenosen und Verschlüsse)

Was ist das Besondere an Aussackungen der Gefäße (Aneurysmen)?

Aneurysmen sind bläschen- bzw. kugelähnliche Ausweitungen der Gefäße, die lebensbedrohliche Blutungen auslösen, wenn sie platzen. Ruptur ist der medizinische Fachausdruck für das Platzen von Hohlorganen und Gefäßen. Ein erhöhter Blutdruck, insbesondere Blutdruckkrisen, sind Risikofaktoren für eine Ruptur.

Aneurysmen können prinzipiell jedes Gefäß betreffen, am häufigsten sind allerdings die Schlagadern (Arterien) betroffen. Bei Beteiligung von Arterien des Gehirns werden diese auch Hirnaneurysma genannt. Venöse Aneurysmen sind deutlich seltener und die Ruptur stellt eine Ausnahme dar. 

Was sind Kavernome?

Beim Kavernom handelt es sich um eine schwammartige Gefäßneubildung, die in Gehirn sowie Rückenmark auftreten kann. Genau genommen ist es eine gutartige Tumorerkrankung der Blutgefäße, bei der es zur Ausbildung von zahlreichen knotenartigen Gebilden und Kammern kommt. So lassen sich auch die medizinischen Bezeichnungen Kavernom (Kaverne = Kammer) bzw. kavernöses Hämangiom (Häm = Blut; Angiom = gutartiger Gefäßtumor) verstehen.

Die Ruptur von Kavernomen stellt eine seltene Komplikation dar, häufiger sind eine Größenzunahme und hieraus resultierende Verdrängungserscheinungen. Kavernome sind viel seltener als Aneurysmen und werden den arterio-venösen Malformationen (AVM) zugeordnet. Dies ist ein Überbegriff für sämtliche Gefäßmissbildungen, bei der es zur Ausbildung von oft auch als „Arterien-Venen-Knäuel“ bezeichneten Strukturen kommt.

Was versteht man unter duralen arterio-venösen Fisteln?

Unter arterio-venösen Fisteln (AVF) allgemein versteht man Kurzschlussverbindungen zwischen Hoch- und Niederdrucksystem. Zum Hochdrucksystem gehören die Schlagadern (medizinisch Arterien), zum Niederdrucksystem zählt man die Venen. Über die Fistel kommt es zum einem Blutfluss von den Schlagadern direkt in die Venen, weshalb es zu Durchblutungsstörungen der nachfolgenden Gewebe kommen kann. Bei den duralen AVF handelt es sich um spezielle Gefäßmißbildungen in Gehirn und Rückenmark, die jedoch sehr selten vorkommen.

Was sind Gefäßverschlüsse im Gehirn?

Zu Gefäßverschlüssen im Gehirn kann es durch Engstellen oder verschleppte Gerinnsel kommen. Das im Vordergrund stehende Ereignis ist ein Schlaganfall, der je nach Größe des verschlossenen Gefäßes nur sehr wenig beeinträchtigend oder aber mit schwerwiegenden Komplikationen einhergehen kann. Gerinnsel entstehen insbesondere bei Herzrhythmusstörungen, Engstellen in den meisten Fällen durch Gefäßwandverkalkungen (medizinisch Arteriosklerose).

Mit welchen Symptomen gehen neurovaskuläre Krankheiten einher? 

Die unterschiedlichen Erkrankungen des neurologischen Systems gehen mit verschiedenen Symptomen einher. So zeichnet sich ein Aneurysma vorrangig durch einen starken Kopfschmerz aus.

Bei einem Schlaganfall sind die folgenden Symptome typisch:

  • Sehstörung
  • Schwindel
  • Gang-, Gleichgewicht- und Koordinationsstörungen
  • Taubheit oder Schwäche, meist einseitig in Armen, Beinen oder im Gesicht
  • Sprachstörungen

Eine arterio-venöse Malformation (AVM) macht sich bemerkbar durch

  • Symptome einer Hirnblutung,
  • Kopfschmerz,
  • Tinnitus,
  • Krampfanfälle oder
  • schlaganfallähnliche Erscheinungen.

Wenn Kavernome Symptome hervorrufen, handelt es sich häufig um Blutungen und Krampfanfälle.

Was sind typische Ursachen und Risikofaktoren von neurovaskulären Erkrankungen?

Die häufigste Art der neurovaskulären Erkrankungen ist der Schlaganfalls, auch als Hirninfarkt bezeichnet. Bei diesem wird das Gewebe im Gehirn schlecht durchblutet, was durch einen Verschluss oder eine Verengung der Gefäße zustande kommt. Das Schlaganfall-Risiko steigt durch:

Aneurysmen treten meist sporadisch auf. Das Gegenteil von sporadisch ist das familiär gehäuft auftretende Aneurysma, welches allerdings seltener zu beobachten ist als das sporadische. Ungefähr 5 Prozent der Menschen leiden unter einem Aneurysma im Gehirn, wobei von diesen ca. 30 Prozent an Aneurysmen in mehreren Stellen leiden. Hier sind insbesondere die große Körperschlagader (Aorta) sowie die Kniekehlenschlagader zu nennen. Hin und wieder treten Aneurysmen als Begleiterscheinung einer polyzystischen Nierenerkrankung auf. 

Untersuchung und Diagnose von neurovaskulären Erkrankungen

Bei vielen Erkrankungen neurovaskulärer Art liefern die geschilderten Beschwerden bereits wichtige Hinweise auf die Art der Krankheit. Diese werden während des Anamnese-Gesprächs durch gezielte Fragestellungen erhoben. Auch eine familiäre Vorbelastung kann zur Verdachtserhärtung herangezogen werden.

Ein Aneurysma ist in einem speziellen Screening erkennbar und ist so in manchen Fällen eine Zufallsdiagnose. Empfehlenswert ist dieses Aneurysma-Screening, wenn zwei direkte Verwandte diese Erkrankung hatten.

Die MR-Angiographie (Magnetresonanzangiographie) ist eine besondere Form der Magnetresonanztomographie (MRT). Dieses bildgebende Verfahren zeigt die Blutgefäße auf und macht auf neurovaskuläre Erkrankungen aufmerksam.

Auch Kavernome lassen sich bei Kernspinuntersuchungen gut und zuverlässig darstellen. Bei erhärtetem Verdacht ist meistens ebenfalls ein MR-Angiographie das Diagnostikum der Wahl.

Auch Schlaganfälle und die ihnen zugrundeliegenden Gefäßverschlüsse können mittels Kernspinuntersuchungen dargestellt werden. Eine wichtige Alternative zur Kernspintomographie ist die Computertomographie (CT), welche ebenfalls unter Verwendung von Kontrastmittel die besten Ergebnisse liefert.

Bei der Verwendung von Kontrastmittel spricht man von CT-Angiographie (CTA). Das bei der CTA verwendete Kontrastmittel weist allerdings deutlich mehr Nebenwirkungen auf als das, welches bei der MRA verwendet wird, u.a. kann es zu Nierenproblemen und allergischen Reaktionen führen.

Wer führt die Behandlung neurovaskulärer Erkrankungen durch?

Bei vielen neurovaskulären Krankheiten ist ein operatives Verfahren angesagt, um den Störfaktor zu entfernen oder die Gefäßveränderungen zu beseitigen. Es gibt jedoch zahlreiche verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die sich nach der Ausprägung der Krankheiten richten.

Das Fachgebiet für Erkrankungen des Gefäßsystems im Gehirn ist die vaskuläre Neurochirurgie. Da es sich hier um die Behandlung höchst komplexer Krankheitsbilder handelt, sollten mehrere Fachbereiche zusammenarbeiten. Dazu gehören u.a.:

Wenn Kinder unter neurovaskulären Erkrankungen leiden, ist die pädiatrische Neurochirurgie (Kinderneurochirurgie) miteinzubeziehen. Diese ist Ansprechpartner für die operative Behandlung und die psychologische Betreuung.

Wie sieht die Therapie neurovaskulärer Erkrankungen konkret aus?

Verengte Gefäße (Stenosen) lassen sich durch einen Stent, genau genommen eine Gefäßstütze aus Metall oder Kunststoff, offenhalten. Dies ist vor allem bei Schlaganfällen eine weit verbreitete Methode.

Liegt bei Patienten eine Gefäßaussackung (Aneurysma) vor, wird je nach Größe bzw. Wachstumsgeschwindigkeit individuell entschieden. Eine weit verbreitete Methode zur Behandlung ist das endovaskuläre Coiling. Hierbei werden Metallspiralen (Coils) mithilfe spezieller Katheter über die Leistenarterie bis ins Aneurysma eingeführt und dort abgelegt. Dies erfolgt so lange, bis das Aneurysma komplett mit Metallspiralen ausgefüllt und folglich nicht mehr mit Blut durchflossen wird. Das Risiko einer lebensbedrohlichen Ruptur kann hiermit eingedämmt werden.

Teilweise ist das Coiling allerdings nicht erfolgreich bzw. wird von vorneherein abgelehnt, so dass mitunter auch die offen-operative Ausschaltung der Aneurysmen notwendig sein kann. Hierfür ist allerdings grundsätzlich eine Vollnarkose sowie die Eröffnung der Schädeldecke notwendig, wohingegen die endovaskuläre Therapie in örtlicher Betäubung durchgeführt wird. 

Bei einer AVM kommt eine mikrochirurgische Operation infrage, wobei es sich hier um einen möglichst minimalen operativen Eingriff handelt. Vorallem bei AV-Fisteln werden mikrochirurgische Operationsverfahren bevorzugt angewendet. Die Eröffnung von Schädel oder Wirbelkanal erfolgt über möglichst kleine Schnitte, um das sogenannte operative Zugangstrauma so gering als möglich zu halten. Auch endovaskuläre Methoden sind verfügbar und weisen ähnlich gute Ergebnisse auf.

Was gehört zu den typischen Komplikationen eines neurovaskulären Eingriffs?

Schwerwiegendste Komplikation einer neurovaskulären Operation ist die Verletzung von Nervengewebe. Daher ist ein guter Einblick in das Operationsgebiet von Gehirn oder Wirbelkanal immens wichtig und wird meistens durch ein spezielles Operationsmikroskop gewährleistet.

Zudem wird auch regelmäßig das sogenannte Neuromonitoring verwendet. Hierbei wird ein Gerät benutzt, welches die Nervenaktivität mit akustischen und optischen Reizen darstellt. Das ermöglicht es, Nerven sicher zu überwachen und minimiert bei einer Operation das Risiko von Verletzungen des Nervensystems.

Prognose: Wie gut wirken die Behandlungsmethoden bei neurovaskulären Erkrankungen? 

Der Behandlungserfolg bei neurovaskulären Krankheiten hängt von vielen Faktoren ab, etwa: 

  • Wie alt ist der Patient? 
  • Wie früh erfolgt die Behandlung? 
  • Und um welche Form der neurovaskulären Erkrankung handelt es sich?

Bei Schlaganfällen, Aneurysmen und ähnlichen Erkrankungen kommt es stark auf den Zeitpunkt des Behandlungsbeginn an. Diese Krankheiten sind Notfälle, bei denen jede Sekunde zählt. Zögern Sie bei entsprechenden Symptomen nicht, einen Krankenwagen zu rufen, damit die Prognose möglichst günstig ausfällt.

Quellen

  • https://www.dgn.org/leitlinien/2318-ll-26-2012-subarachnoidalsblutung-sab
  • https://www.schlaganfall-hilfe.de/de/verstehen-vermeiden/risiken-erkennen-und-vermeiden/schlaganfall-risiken/allgemein/
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